Tübingen. Den Austritt bei den Grünen vor rund sechs Monaten bezeichnet Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer als sehr belastend. «Es war schmerzhaft, als es passiert ist. Aber ich habe damit auch abgeschlossen», sagte Palmer, der vor einem Jahr im Streit mit den Grünen als parteiloser Kandidat zur OB-Wahl in Tübingen angetreten ist und gegen eine von den Grünen aufgestellte Kandidatin haushoch gewann. Zum damaligen Zeitpunkt ruhte seine Mitgliedschaft bei den Grünen bis Ende 2023. Er selbst hatte sich immer wieder für eine Wiederannäherung ausgesprochen.
«Die Partei und ich, wir haben uns auseinanderentwickelt. Und das muss man irgendwann auch mal akzeptieren. Es nutzt nichts, sich da was vorzumachen», sagte Palmer. «Es ist aber beruhigend zu sehen, dass jetzt zumindest eine Diskussion über notwendige Schritte zur Begrenzung der irregulären Migration begonnen hat.» Die Ökologie sei das wichtigste politische Thema und dafür brauche es eine starke grüne Partei.
Wenn er nicht ausgetreten wäre, würde man ziemlich sicher immer noch intensiv darüber diskutieren, was in Frankfurt genau passiert sei, wer was gesagt habe, was dies bedeute und wie dies zu interpretieren sei.
Im April hatte Palmer in Frankfurt mit einer Protestgruppe eine Auseinandersetzung über seine Verwendung des «N-Wortes», einer früher in Deutschland gebräuchlichen rassistischen Bezeichnung für schwarze Menschen. Die Protestierenden konfrontierten ihn mit «Nazis raus»-Rufen. Daraufhin sagte Palmer: «Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi.» Danach hatte sich Palmer entschuldigt und trat bei den Grünen aus.
«Wenn ich nicht ausgetreten wäre, gäbe es vielleicht ein neuerliches Ausschlussverfahren. Ehrlich gesagt, das wollte ich allen ersparen. Und es hat funktioniert. Nachdem ich ausgetreten war, hat auch niemand dieses Thema weiter betrieben.»
Palmer (51) ist seit 2007 Oberbürgermeister in Tübingen. Mit Äußerungen etwa zur Flüchtlingspolitik sorgte er immer wieder für Kontroversen, ihm wurde Rassismus vorgeworfen. Bundesweites Aufsehen und Anerkennung brachten aber sein Management während der Corona-Pandemie sowie seine kommunale Umweltpolitik.
Inzwischen, so sagt Palmer, sei Tübingen gut vorangekommen beim ökologischen Umbau. Das betrifft den neuen Busbahnhof mit einer Tiefgarage für 1100 Fahrrad-Stellplätze, die Einweihung einer zweiten Fahrradbrücke sowie die Fertigstellung eines Radweges, der die Stadt einmal komplett quert, ohne dass man an einer Ampel halten muss (blaues Band). «Wir haben Beschlüsse gefasst für die Umstellung von zwei Drittel der Busflotte auf elektrischen Antrieb bis in drei Jahren», erzählt Palmer. 2024 stehe der Baubeginn für große Wärmetransport-Leitungen an. Ziel sei es, erneuerbare Wärme zwischen verschiedenen Stadtteilen verschieben zu können. (dpa)