Do, 02.05.2024 , 11:01 Uhr

Südwest: Falsche Verwandte, Polizisten und Bankangestellte - Ermittler zerschlagen europaweit größten Callcenterbetrug

Baden-Württemberg. Ermittlungsbehörden aus Baden-Württemberg haben den wohl europaweit größten Callcenterbetrug aufgedeckt. Gemeinsam mit internationalen Behörden und Organisationen aus Polizei und Justiz sei ein beeindruckender Schlag gegen ein höchst professionell agierendes Betrügernetzwerk gelungen, teilte das Innenministerium am Donnerstag mit.

Die Ermittler verhinderten in rund 6 000 Fällen einen Schaden von insgesamt rund zehn Millionen Euro, hieß es weiter. Die Ermittlungen seien im Dezember 2023 ins Rollen gekommen, nachdem die Polizei durch einen aufmerksamen Bankmitarbeiter einen Betrugsversuch mit einem potenziellen Schaden von mehr als 100 000 Euro verhinderte. Die Telefonnummern der hierfür verantwortlichen Tätergruppierung habe innerhalb kürzester Zeit in weit mehr als zehntausend Betrugsfällen eine zentrale Rolle gespielt.

Zwölf Callcenter zerschlagen und 20 Personen festgenommen

Noch im Dezember 2023 hatte daher das Landeskriminalamt Baden-Württemberg eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, in die auch Polizeibehörden der Bundesländer Bayern, Sachsen und Berlin eingebunden waren. Unter Federführung des Cybercrime-Zentrums Baden-Württemberg bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe zerschlugen am 18. April 2024 nationale und internationale Polizei- und Justizbehörden mit großangelegten und international abgestimmten Durchsuchungen zwölf Callcenter und nahmen 20 Personen fest.

Die Staatsanwälte des Cybercrime-Zentrums erwirkten hierzu rund 100 Beschlüsse. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe und das LKA Baden-Württemberg durchsuchten gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, dem Landeskriminalamt Sachsen und lokalen Behörden sowie mit der Unterstützung von Europol und dem Bundeskriminalamt zeitgleich Wohnungen und Geschäftsräume in mehreren Ländern des Westbalkans und im Libanon. Die Behörden arbeiteten mit Ermittlern in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Serbien und dem Libanon zusammen.

Die Maßnahmen wurden von einem Staatsanwalt des Cybercrime-Zentrums aus der Europol-Zentrale in Den Haag koordiniert. Drei weitere Staatsanwälte leiteten die Maßnahmen auf dem Westbalkan. Mehr als 60 Beamte des LKA Baden-Württemberg, die von Cyber-Spezialisten der regionalen Polizeipräsidien begleitet wurden, reisten in die fünf Länder. Vor Ort wurden sie von nationalen Einsatzkräften der jeweiligen Länder unterstützt. Teilweise waren mehr als hundert Polizisten in den einzelnen Orten im Einsatz.

Umfangreiche Sicherstellungen 

Bei den Durchsuchungsaktionen stellten Ermittler umfangreiche Beweismittel wie Datenträger, Schriftstücke, Bargeld und Vermögenswerte in Höhe von einer Million Euro sicher. Derzeit läuft die Auswertung der Beweise, teilte das Ministerium mit.

In den komplexen Ermittlungen deckten Experten für Wirtschaftskriminalität, Organisierte Kriminalität und Finanzermittler, Cyberkriminalisten sowie Spezialisten der IT-Netzwerkforensik Callcenter in vier Staaten des Westbalkans und im Libanon auf.

Verwandte, Polizei, Bank – Betrüger bildeten komplettes Spektrum ab

Die Betrugsvarianten der Täter bildeten nahezu das gesamte Spektrum an bekannten Telefonbetrügereien ab: Sie gaben sich beispielsweise als nahe Verwandte, Bankangestellte, Angehörige der Verbraucherzentrale, Mitarbeiter eines Inkassounternehmens oder als Behördenvertreter, etwa der Polizei oder Staatsanwaltschaft, aus und versuchten mittels Strafandrohungen, Gewinnversprechen, Inkassoforderungen oder Prepaid-Karten-Betrug ihre Opfer um ihr Erspartes zu betrügen.

Das LKA Baden-Württemberg habe in Echtzeit die Gespräche der Täter mit den auf das gesamte Bundesgebiet verteilten potentiellen Opfern verfolgt. Dazu waren ab Dezember 2023 weit mehr als 100 Beamte im Schichtbetrieb rund um die Uhr im Einsatz. Für die Strafverfahren sicherten sie über 1,3 Millionen Gespräche. Teilweise verfolgten Ermittler bis zu 30 Gespräche zeitgleich mit dem Ziel, die Vollendung der Straftaten zu verhindern und warnten potenzielle Opfer, die sich bereits im Fadenkreuz der Anrufbetrüger befanden.

Insgesamt führt das Cybercrime-Zentrum wegen mehr als 7 500 Anrufen zentrale Ermittlungen. Gleichzeitig gelang es dem LKA Baden-Württemberg mehr als achtzig Prozent der Straftaten zu verhindern und einen Gesamtschaden von mehr als zehn Millionen Euro abzuwenden, hieß es weiter.

Neues Cybercrime-Zentrum habe Feuertaufe bestanden 

Betrügerische Anrufstraftaten seien besonders perfide und skrupellos, denn sie spielten mit den Ängsten und Nöten der Menschen und erschüttern das gegenseitige Vertrauen sowie das Vertrauen in die Polizei, teilte Innenminister Thomas Strobl am Donnerstag mit. „Wir gehen deshalb mit aller Härte und Konsequenz gegen diese Kriminellen vor“, wurde Strobl weiter zitiert.

Vor nicht einmal vier Monaten sei der Startschuss für das Cybercrime-Zentrum in Baden-Württemberg gefallen, sagte Justizministerin Marion Gentges. Das Cybercrime-Zentrum Baden-Württemberg habe seine Feuertaufe mehr als bestanden, wird sie weiter zitiert. (dls)

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