Stuttgart. Nach dem bislang größten Kokainfund in einem Ermittlungsverfahren in Deutschland hoffen die baden-württembergischen Ermittler auf weitere Festnahmen und einen tiefen Einblick in einen Teil des südamerikanischen Drogenimports nach Europa. «Bei den Durchsuchungen wurden unzählige digitale Speichermedien sichergestellt», sagte der Präsident des baden-württembergischen Landeskriminalamtes, Andreas Stenger. Diese würden nun so schnell und gut wie möglich ausgewertet. «Wir sind natürlich in die Strukturen eingedrungen und können das Geflecht erhellen. Wir wissen aber noch nicht, ob dieser Prozess schon abgeschlossen ist», fügte er hinzu. «Unsere Arbeit ist in wesentlichen Teilen noch am Anfang.»
Der Drogenfund war auf einen Tipp der kolumbianischen Behörden zurückgegangen. Es handelt sich nach Angaben der Ermittler um insgesamt mehr als 35 Tonnen Kokain. Die Drogen seien in Seecontainern zwischen Obstkisten und anderer Ware versteckt gewesen. Neun von zehn Containern konnten gestoppt werden. Für den legalen Anschein der Transporte habe ein Geschäftsmann aus Nordrhein-Westfalen 100 Unternehmen als Briefkastenfirmen gegründet. Die baden-württembergischen Ermittler kamen ins Spiel, weil sich der erste wichtige Tipp auch auf eine Firmenadresse in Mannheim bezog.
Drogenfahnder hatten im Hamburger Hafen im vergangenen Jahr fast 25 Tonnen Kokain sichergestellt, in Rotterdam weitere acht Tonnen und in Ecuador fast drei Tonnen. Die Ermittler bezifferten den Straßenverkaufswert der Drogenmenge auf 2,6 Milliarden Euro. Insgesamt sollen acht Verdächtige im Alter von 30 bis 54 Jahren hinter dem Schmuggel stecken, sieben Haftbefehle wurden vollstreckt.
Tagelang war ein großer Teil der Drogen im Landeskriminalamt Baden-Württemberg zum genaueren Untersuchen zwischengelagert und schließlich vernichtet worden. Rund 15 Tonnen südamerikanische Drogen aus dem Fund im Hamburger Hafen waren bereits vor einem Jahr aus dem Norden nach Stuttgart gebracht und in einer Fahrzeughalle des LKA-Komplexes in Bad Cannstatt gestapelt worden, wie Stenger sagte. Mehrere Tage später seien die Kokainpakete in einer Müllverbrennungsanlage vernichtet worden.
Sehr zur Erleichterung des baden-württembergischen Innenministers: «Das hat mir einigermaßen Sorgen bereitet, dass hier Drogen im Milliardenwert gelagert wurden», hatte Thomas Strobl schon am Montag eingeräumt. «Es fehlt einem ja nicht an Phantasie, dass diejenigen, die der Meinung sind, es gehöre ihnen, das auch möglicherweise gerne wieder zurückhaben möchten.» Er sei froh gewesen über die Nachricht von der Verbrennung. Strobl sprach von einem «empfindlichen Schlag gegen die organisierte Kriminalität». (dpa)