Polizei und Staatsanwaltschaft ist ein Schlag gegen eine Betrügerbande gelungen, die Menschen im gesamten Bundesgebiet mit sogenannten Schockanrufen verunsichert und großen Schaden verursacht hat. Neben dem Kopf der Bande wurden in den vergangenen Monaten mehr als 70 Personen festgenommen, die sich an diesem Betrug beteiligt haben sollen, hieß es in einer Mitteilung von Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg in Stuttgart und der Staatsanwaltschaft Karlsruhe.
Einsatzkräfte durchsuchten am Donnerstag in einer großangelegten Aktion insgesamt sechs Gebäude in Frankfurt am Main, in den nordrhein-westfälischen Städten Neuss, Kaarst und Haan sowie in Großbritannien. Im Großraum London befand sich das mutmaßliche Hauptquartier der Bande, von dem aus die Anrufe getätigt und die Zusammenarbeit der verschiedenen Mitglieder koordiniert wurden.
Bei dem mutmaßlichen Kopf der Bande handelt es sich um einen 41-Jährigen aus Polen, der in Großbritannien festgenommen wurde. Neben einem aktuellen Haftbefehl des Amtsgerichts Pforzheim habe gegen ihn auch ein von der polnischen Justiz erlassener Haftbefehl wegen weiterer 123 ähnlicher Taten vorgelegen.
Bei Durchsuchungen wurden umfangreiche Beweismittel, unter anderem Bargeld im Wert von mehr als 160 000 Euro, Goldbarren, Goldmünzen und Schmuckstücke sowie Datenträger und Schriftstücke beschlagnahmt. Ferner konnten mehrere Mobiltelefone sichergestellt werden, die mutmaßlich für die betrügerischen Anrufe verwendet wurden. Die Telefone werden noch ausgewertet.
Nach bisherigem Ermittlungsstand sind der Bande seit Sommer 2022 mindestens 122 Fälle im gesamten Bundesgebiet zuzurechnen. Der bis dato bekannte Gesamtschaden beläuft sich auf rund 5 Millionen Euro.
Durch „operative Maßnahmen“ im Laufe der Ermittlungen, beispielsweise Festnahmen bei Geldübergaben, sei es möglich gewesen, Wertsachen und Bargeld im Wert von mehr als 1,4 Millionen Euro sicherzustellen und an die Besitzer zurückzugeben. Mehrere Staatsanwaltschaften seien an der Verhaftung von mehr als 70 Personen beteiligt gewesen. Zuletzt sei am 24. Juni eine 21-jährige polnische Staatsangehörige, die dem Führungskreis der Gruppe zugerechnet wird, am Flughafen in Barcelona festgenommen worden.
Der Großteil der mutmaßlichen Bandenmitglieder sei über ein Online-Portal in Polen angeworben worden. Diese Personen hätten nach jetzigem Stand der Ermittlungen als „Abholer“ gearbeitet, die Wertsachen ihrer Opfer entgegennahmen und weitertransportierten. Ein anderer Teil der Gruppe habe gezielt Senioren angerufen, um diese zur Herausgabe von Wertsachen zu bewegen.
Meldungen der Polizei zu „Schockanrufen“ gab es in der Vergangenheit im ganzen Bundesgebiet – auch in der Rhein-Neckar-Region. Die Anrufer gaben sich meist als Polizisten oder Staatsanwälte aus und gaben an, dass ein naher Angehöriger in einen schweren Unfall verwickelt sei, bei dem Menschen schwer verletzt oder getötet wurden. Um eine Inhaftierung der Angehörigen abzuwenden, wurden die Senioren aufgefordert, Geld an einen Kurier zu übergeben.
Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Karlsruhe – Zweigstelle Pforzheim – führt das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA BW) ein Ermittlungsverfahren wegen der Begehung von „Schockanrufen“. Unterstützt wird die Staatsanwaltschaft von den Polizeipräsidien Aalen, Heilbronn, Konstanz, Ludwigsburg, Ravensburg und Stuttgart und kooperiert mit anderen Länderpolizeien, den polnischen, französischen, niederländischen, tschechischen, schweizerischen, spanischen und britischen Strafverfolgungsbehörden sowie mit Europol und Eurojust. Das Anfangsverfahren wurde Mitte letzten Jahres beim Polizeipräsidium Pforzheim bearbeitet und mit weiteren Erkenntnissen der anderen genannten Präsidien beim LKA BW zusammengeführt. (pol/dls)