Ein letztes Mal vor der finalen Fahrt zeigt der Stahlkoloss U17 seine respekteinflößende Kraft. Massive Batterien, jede 1,40 Meter hoch und 720 Kilogramm schwer, klemmen mit Befestigungskrallen im Bauch des ausgemusterten U-Boots. Mit vereinten Kräften baut das Team des Technik Museums im pfälzischen Speyer die Stromgeber aus. 120 Tonnen leichter muss der maritime Oldtimer werden, bevor er auf die Reise zu seinem Bestimmungsort darf – Speyers Partnermuseum im baden-württembergischen Sinsheim.
Haushoch steht U17 in Speyer zwischen den Ausstellungshallen in der Sommersonne. Rund 470 Tonnen wiegt das knapp 50 Meter lange Gefährt aus Kiel. Tausende Schaulustige standen im Mai am Rheinufer auch in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz und verfolgten die Fahrt des spektakulären Ausstellungsstücks nach Speyer. «Es ist eine Leistung, den Koloss jetzt 25 Prozent leichter zu bekommen», sagt Armin Hönig. Der Kfz-Mechaniker gehört zum Technikerteam, das im Inneren von U17 bei Dauerkunstlicht und stickiger Luft an den Batterien arbeitet.
An diesem Tag liegt Hönig bäuchlings in einem schmalen Schacht, die Ellbogen auf ein Unterlagebrett gestützt, die Füße stecken in schweren Sicherheitsschuhen. Schweiß perlt an der Stirn, während er, die Finger von Handschuhen geschützt, an der Technik schraubt. «Wir beißen uns manchmal die Zähne aus», sagt Hönig. «Wenn wir die 144 Batterien draußen haben, und es ist nichts passiert, sind wir happy.»
Dem stimmt Ex-U-Boot-Fahrer Jörg Wiest zu. «Bei 720 Kilo hört der Spaß auf. Wir freuen uns über jedes ausgebaute Stück.» Wiest begleitet die Demontage und diente einst auf dem in Eckernförde stationierten Boot U15 als Ober-Elektro-Maschinenmaat. «Um die letzten Ventile zu bedienen, krabbelt man erst auf allen vieren und liegt zum Schluss auf dem Bauch», schildert er seinen früheren Alltag in Bord. Wie U17 war U15 ein Boot der Klasse 206A. Weltweit existiere kein Museum, das ein U-Boot dieser Klasse zeige, sagt Wiest.
U17 war seit 1973 im Einsatz und zusammen mit U26 einst das erste deutsche U-Boot in US-amerikanischen Gewässern nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach der Ausmusterung 2010 bekam das Museum in Speyer vom Verband Deutscher Ubootfahrer einen Tipp. In Speyer locken bereits Exponate wie der Überschallflieger Concorde und die Sowjetraumfähre Buran jährlich Zehntausende Besucher an. Der Leihvertrag mit dem Bundesverteidigungsministerium wurde im Januar geschlossen. Die Transportkosten werden von den Museen sowie von Spenden gedeckt.
U-Boote gelten als ein Mythos der Seefahrt. Es gibt Filmklassiker wie «Jagd auf Roter Oktober», es gibt das berühmte «Yellow Submarine» der Beatles, es gibt das jüngste Unglück nahe dem Wrack der «Titanic», und es gibt den deutschen Kultstreifen «Das Boot» (1981). «Der Film von Wolfgang Petersen war zu meiner Zeit in aller Munde», sagt Ex-U-Boot-Fahrer Wiest. Was sich geändert habe: «Heute sind längst Frauen mit an Bord. Sie machen den Job mindestens so gut wie Männer.»
Im Innern von U17 schreiten die Arbeiten voran. «Immer, wenn etwa 30 Batterien ausgebaut sind, kommt ein Entsorger und nimmt sie mit zum Recyceln», sagt Robert Mrijaj. Der Weitertransport des Boots in das etwa 40 Kilometer entfernte Sinsheim werde eine logistische Herausforderung, meint der gelernte Gas-Wasser-Installateur. «Wegen einer Brücke müssen wir das Boot auf die Seite legen und dafür die Motoren stabilisieren, sonst fallen sie aus der Verankerung.» Das Befestigen aller «fallbaren» Teile werde nicht einfach.
«In Speyer steht ja schon U9», sagt Matthias Krieg, der Dritte im Technikerteam. «Für Sinsheim wäre U17 toll, es wäre gleichzeitig der südlichste Standort eines U-Boots in Deutschland», sagt der gelernte Fluggerätmechaniker. Bis dahin fließe aber noch viel Schweiß.
«Es war schon jetzt ein Transport an der Grenze des Machbaren», meint Museumsleiter Andreas Hemmer. Jede Etappe von Kiel bis Speyer und wohl 2024 nach Sinsheim sei eine technische Meisterleistung. Auf der geplanten Schlussfahrt auf dem Neckar muss U17 an der Alten Brücke in Heidelberg auf dem Schwimmponton von der Vertikalen in die Seitenlage befördert werden – und wieder zurück. Von einer «Weltpremiere» spricht Hemmer. «Das Drehen eines mehrere Hundert Tonnen schweren U-Boots außerhalb einer Werft hat bisher noch niemand gemacht.»