Mainz. Kohlenhydrate und Zusatzstoffe: Auch auf Wein- und Sektflaschen müssen künftig Nährwerte und Zutaten auf dem Flaschen-Etikett zu finden sein. Die Regelung gilt ab 8. Dezember 2023. Winzer und Branchenverbände halten die zusätzlichen Angaben für durchaus sinnvoll, monieren aber mehr Bürokratie und haben mit noch offenen Detailfragen zu kämpfen. Die sind entscheidend dafür, ab wann Produkte mit den neuen Angaben versehen werden müssen – ob dies erst den 2024er Jahrgang betrifft oder auch einzelne Produkte von 2023.
«Nachdem Nährwert- und Inhaltsstoffe auch immer mehr in allen anderen Lebensmitteln angegeben werden, herrscht grundsätzlich Verständnis für die Tatsache», sagt die Geschäftsführerin vom Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), Theresa Olkus, zur Etikettenverordnung. Der Unmut einiger Winzer richte sich nicht gegen die Offenlegung, sondern den «zusätzlichen bürokratischen Aufwand, in einer ohnehin herausfordernden Zeit, die von Kostensteigerungen und Witterungsextremen geprägt ist». Der VDP wünsche sich, dass mit solchen Regelungen auch einheitliche Lösungen angeboten würden. «Der digitale QR-Code ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung.»
Das sieht auch der geschäftsführende Vorstand der Genossenschaft der Lauffener Weingärtner in Württemberg, Marian Kopp, so. QR-Codes könnten inzwischen ohne App nur mit dem Foto-Scanner der Handys gelesen werden und in den digitalen Datenbanken könnten Zahlen von Nährwerten und Inhaltsstoffen leicht angepasst werden. «Wir machen das auch für unser Haus.»
Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien, Christof Queisser, sagt, er halte die Umsetzung der Verordnung für sinnvoll. Es habe viele Diskussion um eine digitale Lösung gegeben. «Aber man muss einfach sagen: Produktinformationen auf europäischer Ebene in vielen Sprachen auf ein Etikett zu drucken, ist nicht wirklich umsetzbar.» Mit dem QR-Code seien Informationen in der Sprache, die derjenige verstehe, verfügbar – auf dem Smartphone, am PC, am Ort des Verkaufs. «Das ist doch die Zukunft.»
Auch der Verband der Deutschen Sektkellereien (VDS) sieht langfristig viele Chancen durch die neue Regelung. «Vor allem das elektronische Etikett gleicht einem Durchbruch», sagt VDS-Geschäftsführer Alexander Tacer. Für den habe die Branche europaweit erhebliche Anstrengungen unternommen. Dass das Ringen um Details so kurz vor der Umsetzung Planungsunsicherheit bringe, mache kurzfristig aber nicht alle glücklich.
Konkret geht es darum, dass die neue Vorgaben alle ab dem 8. Dezember 2023 hergestellten Erzeugnisse betrifft, wie der VDS erklärt. «Händeringend wird von der Branche allerdings die Antwort der EU-Kommission erwartet, zu welchem Zeitpunkt ein Erzeugnis als „hergestellt“ gilt», sagt Tacer. Die europäischen Wein- und Sektverbände verhandelten noch immer mit den EU-Verantwortlichen darüber. Nach jetzigem Stand gälten Weine und Schaumweine dann als hergestellt, wenn sie ihre typischen Eigenschaften erhalten hätten, die sie rechtlich als Wein oder Sekt definierten.
Auch nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministerium laufen noch Gespräche. Ziel sei eine EU-einheitliche Regelung, sagt ein Sprecher in Berlin. Die rheinland-pfälzische für Weinfragen zuständige Europaabgeordnete Christine Schneider (CDU) tritt dafür ein, dass ein Wein dann als hergestellt gilt, wenn die alkoholische Gärung abgeschlossen ist. Dann würde der ganze 2023er Jahrgang noch nicht unter die neue Verordnung fallen, sagt sie.
«Was vielen Winzern besonders missfällt, ist die Tatsache, dass die Infos darüber, was wann und in welcher Form umgesetzt werden muss, so schleppend erfolgen», sagt Petra Escher vom Weingut Escher im rheinhessischen Gau-Bischofsheim. «Lange Zeit war nicht klar, ob die Darstellung per QR-Code ermöglicht wird.»
Was wie genau nach der Etikettenverordnung angegeben werden muss, ist für Winzer wichtig, denn auf den Flaschen ist nur begrenzt Platz, wie Kopp betont. «Ich bin für Transparenz, ich bin auch Verbraucher.» Allerdings wisse die Branche aus Umfragen, dass Weintrinker gerade qualitativ höherwertiger Weine auf der Flasche lieber geschmackliche Informationen und Hinweise zur Speisebegleitung lesen wollten.
«Für unseren Betrieb bedeutete die lange Ungewissheit, dass wir die Erstellung unserer neuen Etikettenvordrucke lange verschieben mussten, da nicht klar war, wie groß der Platzbedarf für die Kennzeichnung tatsächlich sein würde», berichtet Escher in Gau-Bischofsheim. «Bei unserer Premium-Linie konnten wir die Entscheidung ob die Darstellung per QR-Code erlaubt sein würde, nicht abwarten, da keine alten Vordrucke mehr für den aktuellen Jahrgang vorhanden waren.»
Die Folge: «Wir haben die Etiketten vergrößert und von Nassleim auf Selbstklebeetiketten als Vorder- und Rückenetikett umgestellt», sagt Escher. Eigentlich missfalle das ihrem Familienbetrieb aus Umweltaspekten, «da hierfür eine zusätzliche Trägerfolie nötig ist». Viele Selbstklebeetiketten ließen sich auch nur schwer wieder von den Flaschen ablösen. «Unterm Strich bedeutet die Nährwert-Kennzeichnung für uns in erster Linie mehr Aufwand und höhere Kosten – zusätzliche Analysen, größere Etiketten, teilweise Selbstklebeetiketten, QR-Code, Vernichtung alter zu kleiner Etiketten», sagt Escher.
Kopp wünscht sich von der EU zudem, dass sie nicht nur einheitliche Reglungen erlässt, sondern diese auch bei den Kontrollmechanismen durchsetzt. Die Lebensmittel- und die staatliche Weinkontrolle funktionierten in Deutschland sehr gut, würden aber in anderen Ländern laxer gehandhabt. Damit drohe ein Wettbewerbsnachteil. (dpa)