Mainz. Ob Goethestraße oder Käthe-Kollwitz-Allee: Mit einem Straßennamen ehrt eine Stadt einen Menschen auf besondere Weise. Doch manchmal stellt sich heraus, dass einige diese Ehrung gar nicht verdienen – auch in Rheinland-Pfalz. Beispiel Bad Dürkheim: Hier stimmen Bürgerinnen und Bürger am Sonntag (24.9.) über drei Änderungen ab. Es geht um die Maler-Ernst-Straße, die Karl-Räder-Straße und die Philipp-Fauth-Straße. Bei allen dreien Männern finde sich demokratiefeindliches, nationalsozialistisches und antisemitisches Gedankengut, wie wissenschaftliche Gutachten und ausführliche Recherchen nach Angaben der Stadt feststellten.
Deshalb spricht sich der Stadtrat für die Umbenennung aus. Eine Bürgerinitiative sieht das anders und hat 1500 Unterschriften dagegen gesammelt. Sie will die Namen beibehalten und die Straßenschilder mit Hinweisen versehen, auf denen über die Rolle der drei Männer im Nationalsozialismus aufgeklärt wird. Darüber stimmt die Stadt in der Pfalz nun ab.
Auch anderswo im Bundesland waren oder sind belastete Straßennamen ein Thema. In den vergangenen zehn Jahren wurden in Mainz, Bad Kreuznach, Ludwigshafen, Trier, Kaiserslautern und Koblenz Bezeichnungen geändert. Die Städte gingen dabei unterschiedlich vor. Was ist der richtige Umgang? Ändern? Oder bewahren und kommentieren?
Wichtig sei, dass sich Städte mit ihren Straßennamen beschäftigten und auf der Grundlage nachvollziehbarer, auf Quellen basierender Untersuchungen ein Urteil bildeten, meint Daniel Kroiß, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz. «Straßennamen dienen der Erinnerung an eine Person und sollen diese ehren. Solange ein Straßenname besteht, zeigt eine Gesellschaft damit, dass sie hinter dieser Ehrung weiterhin steht.»
Die Stadt Mainz entschied sich in drei Fällen für Änderungen. Die Agnes-Miegel-Straße, die Poppelreuterstraße und die Pfitznerstraße wurden wegen Verstrickungen ihrer Namensträger in Zeiten des Nationalsozialismus umbenannt. Die Neubenennungen seien auf Vorschlag des jeweiligen Ortsbeirates und nach Beschluss des Stadtrates erfolgt, teilt eine Stadtsprecherin mit. Die Stadt sei dabei der Empfehlung der Arbeitsgruppe «Historische Straßennamen» nachgekommen. Diese prüft seit 2011 anhand eines Kriterienkatalogs historisch belastete Straßennamen.
Einen Agnes-Miegel-Weg gibt es auch in Ludwigshafen. Anders als in Mainz wandten sich Anwohnerinnen und Anwohner hier aber gegen eine Umbenennung und sprachen sich für eine erläuternde Tafel aus. Auch in einem weiteren Fall entschied man so.
«Erläuterungen zu der Person, nach der eine Straße benannt ist, sind an jedem Straßenschild sinnvoll, aber der Raum auf diesen Schildern ist überaus begrenzt», sagt Experte Kroiß. Es sei deshalb kaum möglich, dort komplexe historische Zusammenhänge zu erläutern. Zudem würden solche Erläuterungen nur wahrgenommen, wenn man direkt vor dem Schild stehe. «Die Wahrnehmung von Straßennamen erfolgt viel häufiger durch Onlinekarten, Adressangaben oder Wegbeschreibungen, in denen der Straßenname jeweils ohne jeglichen Kontext verwendet wird.»
Ludwigshafen ist auch schon anders vorgegangen. «Anfang des 21. Jahrhunderts wurden der Langemarckplatz und 2011 die nach dem „Kolonialpionier“ Carl Peters benannte Straße umbenannt», teilt eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur mit. Zudem gebe es seit etwa drei Jahren eine aus Mitgliedern des Kulturausschusses bestehende Kommission, die potenziell problematische Namensträger untersuche.
In Bad Kreuznach wurde die Ferdinand-Porsche Straße «wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit» des Automobilkonstrukteurs im März 2023 in Eberhard-Au-Straße umbenannt. Es seien weitere Umbenennungen geplant, hieß es. Die Stadt Bad Kreuznach ist eigenen Angaben zufolge durch einen Besucher auf den problematischen Hintergrund von Ferdinand Porsche aufmerksam gemacht worden. Die Straße nur in Porsche-Straße umzubenennen sowie ein Zusatzschild anzubringen, sei für den Stadtrat nicht in Frage gekommen.
In Trier wurde nach jahrelanger Diskussion im Stadtrat im vergangenen Jahr die Hindenburgstraße in Gerty-Spies-Straße umbenannt. Grund ist laut Angaben der Stadt, dass Hindenburg «ein Steigbügelhalter der Nazi-Diktatur» gewesen sei. Im August diesen Jahres sei zudem der Bischof-Stein-Platz wegen der Rolle des Geistlichen im Missbrauchsskandal zum Platz der Menschenwürde geworden, hieß es.
Eine andere Lösung wählte die Stadtverwaltung in Kaiserslautern. Anfang 2015 wurde die Carl-Peters-Straße dem Astronomen gleichen Namens umgewidmet – was mit einem Schild kenntlich gemacht wurde, wie eine Stadtsprecherin mitteilte. Dies sei der einzige Fall in den vergangenen zehn Jahren gewesen.
Nachdem die Koblenzer Stadtverwaltung alle Straßennamen auf eine Belastung geprüft hatte, wurde dort im April 2022 die Danziger Freiheit in Esther-Bejarano-Straße umgetauft. Damit soll Esther Bejarano geehrt werden, eine Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, die sich etwa gegen Rassismus engagiert habe.
Menschen, die sich Gewalt und Unterdrückung widersetzt und dadurch ihre berufliche Existenz oder ihr Leben verloren haben, gebe es in fast jeder Gemeinde, betont Experte Kroiß. An wen eine Stadt erinnern wolle, habe sie in der Hand. «Dabei geht es nicht darum, dunkle Kapitel der Geschichte zu tilgen oder zu verschweigen, wie oft zu lesen ist, sondern darum, aus welcher Perspektive man diese erzählt.»
Beispiel Bitburg: Obwohl es in der Stadt keine belasteten Straßen gebe oder gegeben habe, habe man in jüngster Zeit bei neuen Benennungen vermehrt die Namen jüdischer Familien berücksichtigt, hieß es – wie etwa bei der Anne-Frank-Straße. (dpa)