Mo, 07.10.2024 , 08:58 Uhr

Rheinland-Pfalz: Weltpolitik in der Pfalz - US-Präsident Biden berät in Ramstein über Ukraine

Joe Biden fliegt ins europäische Herz der Militärmacht, nach Ramstein. Es wird um die Ukraine gehen. Die Auswirkungen des Krieges sind auch in Rheinland-Pfalz allgegenwärtig.

Von Wolfgang Jung, Birgit Reichert und Mona Wenisch, dpa

Ramstein/Mainz. US-Präsident Joe Biden kommt nach Rheinland-Pfalz – aber diesmal müssen keine Kanaldeckel zugeschweißt, Autobahnen gesperrt und Schulen geschlossen werden wie vor rund 20 Jahren bei George W. Bush in Mainz. Denn Biden, der im Januar aus dem Amt scheidet, besucht nicht die Landeshauptstadt oder wie einer seiner Vorgänger das Hambacher Schloss: Der 81-Jährige nimmt am Samstag (12.10.) an einer hochkarätigen Ukraine-Konferenz auf dem US-Stützpunkt Ramstein teil. Der Besuch verdeutlicht einmal mehr, dass der Krieg und die Folgen auch Rheinland-Pfalz betreffen.

Ukraine-Konferenz

Biden will am Freitag (11.10.) Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin treffen. Am Samstag (12.10.) sollen beide zu einem Ukraine-Gipfel nach Ramstein reisen. Beim dortigen Treffen der US-geführten Kontaktgruppe wolle Biden die Bemühungen der mehr als 50 Länder koordinieren, die Kiew in seinem Abwehrkampf unterstützten, hatte das Weiße Haus mitgeteilt. Zu den Beratungen wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet. Erstmals kommen Kiews Verbündete zu einem Ramstein-Treffen auf Spitzenebene zusammen. Bisher trafen sich dort meist die Verteidigungsminister.

Besucher aus Amerika – von Reagan bis Obama

Ob Saumagen oder Wiege der Demokratie: US-Präsidenten hielten sich durchaus oft in Rheinland-Pfalz auf. So besuchte Ronald Reagan 1985 das Hambacher Schloss und zusammen mit Bundeskanzler Helmut Kohl einen Soldatenfriedhof in Bitburg. George Bush senior kam 1989 nach Mainz und ein Jahr darauf nach Speyer und besuchte Kohl in Oggersheim. Dort fand sich 1994 auch Bill Clinton in der Marbacher Straße ein. Fünf Jahre später besuchte Clinton die Stützpunkte Spangdahlem und Ramstein und in Ingelheim eine Unterkunft für Kosovo-Flüchtlinge. George W. Bush kam 2005 in die Landeshauptstadt Mainz. Barack Obama wiederum besuchte 2009 das US-Militärkrankenhaus in Landstuhl.

Air-Force-One-Tankstelle Rheinland-Pfalz

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zählt zu den wenigen nicht-amerikanischen Staatsoberhäuptern, die bisher den US-Stützpunkt Ramstein besuchten. Meist landen US-Präsidenten auf der Air Base. So legte Joe Biden 2023 auf dem Weg zum G20-Gipfel in Indien einen Zwischenstopp ein. 2018 tankte die Präsidentenmaschine Air Force One mit Donald Trump in der Pfalz auf, zuvor waren seine Amtsvorgänger Barack Obama und Bill Clinton dort. Auch Ronald Reagan und sein Nachfolger George Bush senior waren bereits auf dem riesigen Areal. Selenskyj war im September zu Beratungen auf den Stützpunkt gereist.

Artillerie-Ausbildung

In der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein werden ukrainische Soldaten seit Mai 2022 für die Bedienung der Panzerhaubitze 2000 und des Raketenwerfers Mars II geschult. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte im September, bisher seien an beiden Systemen rund 500 Ukrainer ausgebildet worden. 2025 werde die Artillerieschule zusätzlich die Ausbildung ukrainischer Soldaten an der neuen Radhaubitze unterstützen.

Die mehrwöchige Ausbildung ist wichtig, damit Ukrainer die komplexen Waffensysteme aus Deutschland bedienen können. Anfang September hatte Pistorius in Ramstein die Lieferung von zwölf weiteren Panzerhaubitzen 2000 an Kiew angekündigt. Die ersten sechs der modernen Artilleriegeschütze mit einer Reichweite von 30 bis 56 Kilometern sollen noch dieses Jahr ausgeliefert werden, die anderen sechs folgen nächstes Jahr.

Versorgung von Kriegsverwundeten

Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 hat Deutschland nach Angaben des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe etwa 1200 Patientinnen und Patienten aus der Ukraine aufgenommen. Eine Aufschlüsselung nach Bundesländern gibt es nicht – die Menschen werden über den sogenannten Kleeblattmechanismus verteilt. Im Kleeblatt Südwest, zu dem Rheinland-Pfalz gehört, wurden 185 Patientinnen und Patienten versorgt.

Es überwiegen dem Amt zufolge kriegstypische Verwundungen wie Schuss-, Explosions- und Sprengverletzungen, Verbrennungen und der Verlust von Gliedmaßen. In welchen Krankenhäusern die Menschen behandelt werden, wird zu ihrem Schutz nicht veröffentlicht. Die Bundeswehr hatte in der Vergangenheit mitgeteilt, dass auch im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz Verwundete aufgenommen wurden.

Ukrainer in Rheinland-Pfalz

Laut der Sonderauswertung des Ausländerzentralregisters durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) liegt die Gesamtzahl der in Rheinland-Pfalz erfassten Menschen mit Ukraine-Bezug bei 51.784 (Stand: 29. September 2024). Das ist den Behörden zufolge der höchste Stand, den die seit April 2022 erfolgte Sonderauswertung ausgewiesen hat. Diese Zahl gebe nicht «personenscharf» an, wie viele Menschen aus der Ukraine sich im Bundesland aufhalten, hieß es. Ukrainische Kriegsflüchtlinge können sich in der EU frei bewegen. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen beträgt 15.665. Von den Volljährigen sind 13.371 männlich und 22.713 weiblich. Bei 57 Menschen ist das Geschlecht unbekannt. (dpa)

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