Mainz. Selbst geleerte Exemplare sind nicht mehr sicher: Seit Jahren steigt die Zahl der Fälle gesprengter Geldautomaten in Rheinland-Pfalz. Die Täter gehen brutal vor, setzen immer mehr auf Festsprengstoff, richten hohe Sachschäden an und gefährden Menschenleben. Bei der Wahl ihrer Ziele scheinen sie nicht wählerisch zu sein. In der Südwestpfalz ging jüngst ein vorübergehend stillgelegter Automat hoch, in dem kein Geld war. Dazu habe es einen Hinweis mehreren Sprachen gegeben, der hielt die Täter aber nicht ab.
Der Angriff auf den stillgelegten, nach Angaben der betroffenen Sparkasse geleerten Automaten geschah am vergangenen Samstag in Thaleischweiler-Fröschen (Kreis Südwestpfalz). In der Nacht zu Montag folgte eine Explosion eines Automaten in Berg im Landkreis Germersheim, die Polizei bezifferte den Sachschaden an Automaten und Gebäude auf rund 100 000 Euro, in dem Fall wurde Geld in nicht näher genannter Höhe erbeutet.
Das Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz zählt in diesem Jahr bis Ende Juli insgesamt 34 Sprengungen (2022: 27). In fünf Fällen blieb es laut der Behörde beim Versuch. Angaben zu erbeuteten Summen macht das LKA grundsätzlich nicht, um keine weiteren Tatanreize zu setzen, wie es mitteilte. Das LKA sieht bei den Sprengungen ein großes Gefährdungspotenzial. Der neue LKA-Chef, Mario Germano, sagte kürzlich der Deutschen Presse-Agentur, Täter hätten in den Niederlanden und in Frankreich viel weniger Erfolg als in Deutschland. Das liege einerseits an einer Vielzahl von Automaten in Deutschland. Die Banken in den Nachbarländern hätten ihre Automaten aber auch mit Farbe, Klebesystemen und anderen Mitteln «ertüchtigt». Dies müsse auch der Weg in Deutschland sein.
Und der Weg wird teils auch beschritten, wie der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken in Berlin mitteilte. Bei Sicherungskonzepten werde auf bauliche, mechanische, elektronische und organisatorische Dinge gesetzt – etwa Vernebelungstechnik, Einfärbesysteme und – sobald verfügbar – Verklebesysteme. «Es ist seit Jahren das Ziel der Deutschen Kreditwirtschaft und der durch sie vertretenen Banken und Sparkassen, durch geeignete präventive Maßnahmen Angriffe vorzubeugen und die Fallzahlen durch Sprengungen nachhaltig zu reduzieren», hieß es von dem Bundesverband.
Die Taten in der Pfalz nahmen die Verwaltungsratsvorsitzenden der Sparkassen Südpfalz und Südwestpfalz zum Anlass, sich mit Vertretern des rheinland-pfälzischen Sparkassenverbandes zusammenzusetzen. Der Verband spricht von «massiven Anschlägen», die Häufigkeit und Brutalität der Angriffe machten Service-Einschränkungen durch Sparkassen notwendig, bis hin zur Schließung von Automatenstandorten.
Der Sparkassenverband erklärte, die Sparkassen im Land investierten Millionenbeträge in Sicherheitstechnik. Explizit genannt werden Videosysteme, Alarmanlagen, verstärkte Tresore oder Einfärbesysteme sowie Schutz gegen Gassprengungen. Der Verband beobachtet, dass Täter inzwischen fast ausschließlich auf Festsprengstoff setzen. «Wir erleben eine immense Gewalt und Brutalität, die auch Menschenleben gefährdet», teilte der Verband mit. In vielen Fällen übersteige der Sachschaden den Wert der Beute.
Tatgelegenheiten gibt es reichlich in Rheinland-Pfalz. Allein die Sparkassen kommen ihrem Verband zufolge auf mehr als 1000 Automaten. Jeder Standort sei mit dem LKA untersucht worden, es brauche für jeden einen individuellen Mix aus Sicherheitsmaßnahmen. Der Sparkassenverband spricht von einem «dynamischen Geschehen», die Angreifer reagierten immer wieder auf neue Abwehrmaßnahmen. Der Anschlag auf den entleerten Automaten habe die Unberechenbarkeit der Täter unterstrichen, sagte Verbandschef Thomas Hirsch.
Das Betrachten einzelner Standorte ist Teil einer Sicherheitsinitiative von Innenministerium, LKA, Genossenschaftsverband, der Sparda Bank Südwest und des Sparkassenverbandes. Mittlerweile schließe die Mehrzahl der Sparkassen in Rheinland-Pfalz nachts ihre Automatenstandorte, heißt es vom Sparkassenverband. Einige entleerten die Geräte außerhalb der Öffnungszeiten. Sollten Präventionsmaßnahmen an besonders gefährdeten Standorten nicht zu einer angemessenen Reduzierung des Risikos führen, könne auch ein Abbau eines Geldautomaten als ultima ratio in Erwägung gezogen werden.
Das «Hochrüsten», wie es der Sparkassenverband nennt, müsse von «staatlichen Schutzmaßnahmen» begleitet werden. Kreditinstitute könnten diese Art der organisierten Kriminalität im öffentlichen Raum nicht allein bekämpfen, sagte Verbandspräsident Hirsch. Hierzu brauche es ein breites polizeiliches Handeln über Staats- und Landesgrenzen hinweg, um Taten im Vorfeld zu vereiteln. Es müsse gelingen, die mit Sprengstoff beladenen Autos der Banden bereits auf dem Weg zum Tatort abzufangen. Der Verband sei dazu auch im Austausch mit Ministerien und Sicherheitsbehörden.
Auch das Innenministerium in Mainz hält eine enge Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern und mit Nachbarstaaten für wichtig, vor allem mit den Niederlanden. Die Polizei setze unter anderem auch auf mehr Streifen an Automatenstandorten, auf Parkplätzen und an Rastanlagen entlang der Autobahnen und Bundesstraßen zu «tatrelevanten Zeiten». Zudem gebe es regelmäßig Großkontrollen. «Die Polizeidienststellen in unmittelbarer Grenznähe zu Frankreich gewährleisten zusätzlich sichtbare Präsenz an den Grenzübergängen», erklärte ein Ministeriumssprecher – in Abstimmung mit der Bundespolizei. (dpa)