So, 07.11.2021 , 07:27 Uhr

Rheinland-Pfalz: Lkw-Fahrer werden knapp - «Einer der wichtigsten Jobs»

Die rheinland-pfälzische Güterverkehrsbranche schlägt Alarm: Es gibt zu wenig Brummifahrer – und es werden immer weniger. Der Mangel trifft nicht nur Speditionen, auch die Bevölkerung könnte die Auswirkungen zu spüren bekommen. «Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird, könnte in zwei bis drei Jahren ein Versorgungskollaps zu erwarten sein», warnt Gudio Borning, Geschäftsführer des Dachverbandes der rheinland-pfälzischen Mobilitäts- und Logistikbranche (Molo). «Das geht in die Richtung, wie man es jetzt in Großbritannien gesehen hat. Die Branche ist systemrelevant.»

Strikte Brexit-Visabestimmungen haben in Großbritannien zu einem eklatanten Fachkräftemangel in der Logistikbranche geführt. Nach Schätzungen des Branchenverbands Road Haulage Association fehlen dort etwa 100 000 Lastwagenfahrer. Große Lieferprobleme bei Benzin und Lebensmitteln waren die Folge, die Armee musste aushelfen.

So weit ist es in Deutschland noch nicht, doch die Gefahr besteht nach Ansicht Bornings durchaus. Schon jetzt ist der Fahrermangel nach seiner Einschätzung gravierend. «Für Rheinland-Pfalz gehen wir davon aus, dass aktuell 3000 bis 4000 Fahrer fehlen, dazu kommt dann eine Lücke von 750 bis 1000 jedes Jahr hinzu.» Diese entsteht, weil mehr Fahrer und Fahrerinnen in Rente gehen als neue nachrücken. Fast allen Mitgliedsunternehmen in Rheinland-Pfalz seien wegen des Fahrermangels schon Aufträge entgangen, es handele sich um das größte Problem der Branche.

Eine Entwicklung wie in Großbritannien zeichnet sich nach Ansicht der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hierzulande derzeit zwar nicht ab. Aber einen Fahrermangel gebe es in der Tat, sagt Mike Kirsch, Experte für Speditionen und Logistik bei Verdi in Rheinland-Pfalz. «Wenn wir die ost- und außereuropäischen Fahrer nicht hätten, könnten wir unsere Lücken nicht schließen.» Man dürfe auch nicht vergessen: «Wenn man auf einem Rastplatz einen Lkw mit deutschem Kennzeichen sieht, ist da selten ein deutscher Fahrer drin.»

Die beiden Hauptursachen für den Fachkräftemangel sind nach Kirschs Beobachtung die nicht gerade üppige Bezahlung der Brummifahrer und die Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiten müssen. Laut Tarif verdiene ein Berufskraftfahrer in Rheinland-Pfalz nach drei Jahren bei 170 Stunden im Monat brutto 2006 Euro – ohne Spesen. Rheinland-Pfalz liege damit im deutschlandweiten Vergleich im Mittelfeld. «Für das Geld wird es immer schwerer, einen deutschen Fahrer zu finden.»

Die Transportbranche in Deutschland steht nach Angaben von Verbandssprecher Borning in einem ausgesprochen scharfen Wettbewerb mit Betrieben in Osteuropa. «Wir haben hier Mindestlöhne, Tarifverträge und ordentliche Arbeitsbedingungen», erklärt er. «Bei Speditionen und Güterverkehrsunternehmen beispielsweise in Rumänien, Belarus und der Ukraine herrschen ganz andere Bedingungen.»

Die Vertreter von Molo und Verdi sind sich einig, dass der teure Lkw-Führerschein eine große Hürde für mögliche Berufseinsteiger ist. «Früher haben viele junge Wehrpflichtige ihren Lkw-Führerschein bei der Bundeswehr gemacht. Das ist nun weggefallen», sagt Borning. «Der Führerschein kostet jetzt mindestens 8000 bis 9000 Euro. Das muss erst einmal aufgebracht werden.» Er forderte einen Ausbau der Förderprogramme. Die gebe es zwar auch bei der Bundesagentur für Arbeit. Aber nicht jede Agentur vor Ort sehe da eine Notwendigkeit. In dieser Hinsicht würde die Anerkennung als Mangelberuf weiterhelfen, sagte Borning.

Von den Kunden der Speditionen wünscht er sich die Einsicht in die Notwendigkeit «fairer Frachtpreise», damit die Unternehmen das Geld auch an die Fahrer weitergegeben könnten. Die Integration von potenziellen Fahrern mit Migrationshintergrund könnte erleichtert werden, wenn Lkw-Führerscheinprüfungen zumindest in Englisch angeboten würden. Wichtig sei es auch, das Image des Brummifahrers als systemrelevanten Beruf zu verbessern. Zu den weiteren Pluspunkten des Berufs gehöre eine hohe Jobsicherheit und der Umgang mit modernen Fahrzeugen und Arbeitsgeräten.

Auch nach Kirschs Ansicht haben Brummifahrer «einen der wichtigsten Jobs in der Republik». Ohne Lkw-Fahrer und Logistiker wäre in Deutschland nichts machbar, sagt er. Die ganze Versorgung hänge davon ab. Die Gewerkschaft fordere daher bessere Bezahlung und weniger Zeitdruck.

Zudem müsse durch das Bundesamt für Güterverkehr viel öfter kontrolliert werden, ob EU-Richtlinien beispielsweise zu Lenkzeiten, Routenplanung, Aufenthalten und Rückfahrten nach Hause eingehalten werden. «Wir haben 363 Millionen Lkw-Fahrten in Deutschland im Jahr, doch es werden nur 500 000 Kontrollen durchgeführt», rechnet Kirsch vor. «Das führt dazu, dass Verstöße in Kauf genommen werden – weniger von deutschen, als eher von osteuropäischen Unternehmen. Dort werden viele Fahrer schlichtweg ausgebeutet.» Auch Borning wünscht sich mehr Kontrollen, «um Wettbewerbsgleichheit herzustellen».

Viele Betriebe in Deutschland seien zudem nicht tarifgebunden, kritisiert der Gewerkschafter. Zusätzlich komme der immens hohe Termindruck durch die Just-in-time-Logistik. «Das heißt: Ein Stau ist eine Katastrophe, und Ruhezeiten sind schwierig.»

Der Preisdruck, der auf den Speditionen laste, geht nach Meinung des Gewerkschafters zu Lasten der Fahrer. «Daran tragen wir auch als Verbraucher Mitverantwortung: heute bestellt, morgen da, und das möglichst billig», sagte er. Wichtig für die Fahrer seien auch bessere Bedingungen auf den Autobahnrastplätzen und Autohöfen: «Duschen, Toiletten und Essen sind für viele zu teuer. Hinzu kommt, dass es einfach zu wenige Parkplätze für Lastwagen gibt.»

Fahrer LKW rheinland-pfalz

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