Mainz. Nichts als Regen: Der Blick aus dem Fenster hat so manchen Sommerliebhaber in den vergangenen Tagen verzweifeln lassen. Nach trockenen und heißen Tagen regnete es in Rheinland-Pfalz fast jeden Tag. Was heißt das etwa für Bauern, Winzer und Schifffahrt? Und was bringt der Regen der Natur?
ACKERBAU UND WEINBAU: Alles, was später reift und geerntet wird, profitiere im Ackerbau, erklärt Andreas Köhr vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd. Zuckerrüben und Mais etwa. «Da hilft der Regen schon, den Ertrag zu steigern und es war auch dringend nötig für diese beiden Kulturen.»
Auch für das Grünland sei der Regen wichtig. «Da gab es durch die Trockenheit und Hitze in den vergangenen zwei Monaten fast keinen Zuwachs mehr.» Von dem Niederschlag vor dem Herbst habe auch der Weinbau profitiert. Vor allem die Art des Regens war demnach für die Pflanzen wichtig – kein Starkregen, sondern ein «kontinuierlicher Landregen». «Davon kann die Pflanze dann auch mal was mitnehmen», sagte Köhr.
Doch zu viel Regen ist auch in der Landwirtschaft nicht gut. «Irgendwann darf es dann wieder aufhören, auch mit Blick auf die Einsaat früher Winterkulturen», sagte Köhr. «Wenn es zu lange feuchte Witterung gibt, steigert das auch das Risiko für Pilzbefall im Weinbau.»
Auch für die restliche Getreideernte bräuchten die Landwirte noch einmal trockene Phasen. «Regen ist wichtig und notwendig, wochenlanger Regen aber führt dazu, dass die ungeernteten Getreidekörner noch auf dem Feld auskeimen, was die Backqualität zunichtemacht», teilte der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, Michael Horper, mit. «Danach kann das Getreide nur noch als deutlich billigeres Futtergetreide vermarktet werden. Somit leiden die Landwirte nicht nur unter geringeren Erträgen, sondern auch unter geringeren Erzeugerpreisen.»
FLÜSSE: Hochwasser, ausgetrocknete Flüsse, sinkende oder steigende Pegelstände waren schon in so manchem Sommer ein Problem. Mit dem ergiebigen Regen in den vergangenen Tagen hat sich die Lage an den Flüssen in Rheinland-Pfalz zurzeit eher entspannt. «Die bisher niedrigen Wasserstände und Abflüsse der Fließgewässer stiegen dadurch zunächst in moderatem Umfang, zum Monatsanfang des August auch deutlicher», teilte Jörg Belz, Diplom-Geograf von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz mit. «Dabei wurden und werden mittlere Wasserstände aber nur selten überschritten.»
SCHIFFFAHRT: Dank der gestiegenen Wasserstände hat sich die Situation für die Schifffahrt etwas entspannt. «Der Schifffahrt steht in Kaub im Moment ungefähr eine Wassertiefe von 2,90 zur Verfügung», sagte Christian Hellbach, Sprecher des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Rhein. «Für die Schifffahrt befinden wir uns in einem normalen Bereich. Für die allermeisten gibt es keine Einschränkungen.»
GRUNDWASSER: Für die Entwicklung des Grundwasserspiegels ist der aktuelle Regen gar nicht so entscheidend. Für die Neubildung von Grundwasser ist nach Angaben des Landesamtes für Umwelt (LfU) das hydrologische Winterhalbjahr zwischen November und April wichtig. Dann verdunste weit weniger Wasser als im Sommer und die Pflanzen benötigten den Regen nicht für ihr Wachstum.
Folgen für die Grundwasserentwicklung habe, dass die Vegetationsphasen zunehmend früher im Jahr starteten, ergo sich die für die Grundwasser-Neubildung wichtige Zeit verkürze. Unter dem Strich könne gesagt werden, dass die Neubildung seit rund 20 Jahren signifikant zurückgehe. Das gleiche sich auch durch kurzfristige Regenphasen nicht aus. Im hydrologischen Winterhalbjahr fielen im langjährigen Durchschnitt von 1971 bis 2000 laut LfU landesweit rund 380 Millimeter pro Quadratmeter an Niederschlägen, seit 2003 waren es im Winterhalbjahr nur noch im Schnitt rund 345 Millimeter. Der vergangene Winter 2022/23 habe durchschnittliche Niederschläge gebracht – bei starken Unterschieden zwischen den Monaten. So seien der November und Januar überdurchschnittlich nass gewesen, der Dezember und insbesondere der Februar extrem trocken.
Die trockenen Sommer der vergangenen Jahre hätten die Situation weiter verschlechtert, erklärte das Landesamt. «Das führte zu einer tiefgreifenden Austrocknung der Böden.» Bevor im Winter der Regen für die Grundwasser-Neubildung zur Verfügung stehe, müssten die Böden zunächst wieder durchfeuchtet werden, damit Wasser versickern könne. «Damit sich die Grundwasserstände erholen können, wären inzwischen mehrere überdurchschnittlich feuchte Winter hintereinander notwendig, das heißt Winterhalbjahre mit Niederschlägen von durchschnittlich rund 430 Millimetern», erklärte das LfU.
Allerdings sei seit 2003 in keinem Winterhalbjahr in Rheinland-Pfalz die Marke von 420 Millimetern erreicht worden. Prognosen bis zum Jahr 2100 zufolge werde die verminderte Neubildung von Grundwasser in den kommenden 20 Jahren so bleiben. Da sich im Zuge des Anstiegs der Durchschnittstemperatur in Folge des Klimawandels die Vegetationsruhe im Winter verkürze, müsse künftig im Winter sogar deutlich mehr Niederschlag fallen, um eine gleichbleibende Neubildung zu haben. (dpa)