Mainz. Der Anteil der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die psychisch stark belastet oder erkrankt sind, liegt nach Einschätzung von Fachleuten noch immer über dem Vor-Corona-Niveau. Mehr als jeder Fünfte in der Altersgruppe bis 25 Jahren sei aktuell betroffen, sagte die Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, Sabine Maur, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Vor der Pandemie seien es weniger als 20 Prozent gewesen.
Die Kriege und die Klimakrise machten den jungen Menschen zu schaffen. Dazu kämen Schulprobleme und Leistungsdruck sowie die negativen Seiten der digitalen Welt wie soziales Mobbing im Klassenchat. Ungleichbehandlung oder Menschenfeindlichkeit seien ebenfalls ein Thema. «Das wird von den Jugendlichen sehr wohl wahrgenommen», sagte Maur.
«Die Generation ist insgesamt sensibler, auch was psychische Gesundheit angeht.» Mental Health sei für viele ein ganz wichtiges Thema. «Das macht sie aber auch für Scharlatane im Internet anfälliger.»
«Einsamkeit spielt im Jugendalter sowieso eine relativ große Rolle. Schon immer», sagt Maur. Die permanente digitale Verbundenheit von Kindern und Jugendlichen schütze nicht vor der Einsamkeit. «Zugleich ist da die Angst, etwas zu verpassen und andererseits die Überforderung, ständig dabei zu sein, und so viele soziale Reize auch verarbeiten zu müssen.»
«Schönheitsideale und Schönheitsdruck nehmen durch die sozialen Medien wieder unglaublich zu. Maur nennt das Beispiel einer 13-Jährigen, die nur noch Fotos mit Filter von sich ins Internet stellt, weil sie so viele «Falten» habe. Aber den Druck empfinden nicht nur Mädchen, er nehme «auch für die Jungs» zu.
Es fehle an Therapieplätzen vor allem für Kinder und Jugendliche, kritisierte Maur, die auch Vize-Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer ist. «Durch das vorzeitige Aus der Ampel-Regierung hat es in dieser Wahlperiode aber überhaupt keine Verbesserungen für Menschen mit psychischen Problemen gegeben», bedauert die Psychologin. «Diese bittere Bilanz baden die Kinder und Jugendlichen und ihre Familien aus.»
«Wir müssen auch eine bessere Prävention haben», fordert Maur. «Die muss im Kindes- und Jugendalter ansetzen.» Armut, kein Zugang zu Beratungsangeboten – das seien Faktoren, die psychische Erkrankungen erheblich begünstigten.
Die Eltern seien auch gefragt. Sie müssten sich mit dem Medienkonsum ihrer Kinder auseinandersetzen. Grenzen sind möglich, technisch sogar programmierbar: «Ein Handy kann auch um 21 Uhr ausgehen und die Snapchat-Zeit auf zwei Stunden begrenzt werden.» (dpa/lrs)