Mainz/Koblenz/Trier/Ludwigshafen. Baustellen stehen in der Vorweihnachtszeit wohl weder beim Handel noch beim Konsumenten auf dem Wunschzettel. Denn was die umsatzstärkste Zeit des Jahres sein soll, wird mit Absperrungen und Umleitungen oft zur Geduldsprobe. Anstelle von gemütlichem Lichterglanz und kauffreudigen Kunden gibt es Baulärm und genervte Passanten. Presslufthämmer statt klingelnder Kassen: Dieses Szenario sorgt gerade in der vermeintlich schönsten Zeit des Jahres mancherorts für reichlich Frust.
In Mainz ist der Unmut gerade ziemlich groß, weil schon seit Längerem Baustellen auf zwei zentralen Zufahrtsstraßen aus dem rheinhessischen Umland den Verkehr ordentlich ausbremsen. Auf der einen Straße werden Straßenbahnschienen verlegt, auf der anderen sind die Fahrbahnen aufgerissen für neue Fernwärmeleitungen.
Umsatzeinbußen und gesunkene Kundenzahl
Bei einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rheinhessen befanden 86 Prozent von rund 680 im September online befragten Mitgliedsunternehmen aus Handel, Hotel- und Gastgewerbe, dem Dienstleistungssektor und der Industrie im Zentrum der Landeshauptstadt, dass sich die Erreichbarkeit der City für Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten seit Jahresbeginn verschlechtert habe. Drei Viertel sprachen von negativen wirtschaftlichen Folgen aufgrund der Verkehrslage, von denen wiederum berichteten mehr als 80 Prozent von Umsatzeinbußen und einer gesunkenen Kundenzahl.
Die IHK sprach sich in diesem Zusammenhang für eine zentrale Koordination von Baustellen aus samt einer frühzeitigen Information von Anliegern und Öffentlichkeit. Genau dafür ist auch Jan Sebastian. Der Präsident des Handelsverbandes Rheinland-Pfalz betreibt in der zentralen Schillerstraße der Landeshauptstadt ein Juweliergeschäft.
Sebastian spricht von Baustellen-Marketing, das er sich wünschen würde. Dazu gehöre, zu erklären, warum an einer Stelle gebaut wird und was sich damit bessern soll. Wünschenswert sei, dass auf Schildern oder Apps Autofahrern geholfen werde und etwa Umfahrungen angezeigt würden. Das Thema sei bei der Stadt aber noch nicht in Gänze angekommen.
«Leider lassen sich Verkehrsbehinderungen nicht vermeiden»
Dennoch sieht Sebastian auch Verbesserungen. Mittlerweile säßen Vertreter des Handels regelmäßig mit städtischen Vertretern zusammen, mit Blick auf die aktuelle Lage sei etwa Mitte Dezember eine Zusammenkunft geplant. Es müsse immer um pragmatische Lösungen gehen. Die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) sagt: «Ich nehme die Sorgen des Handels sehr ernst und weiß, dass die aktuelle Verkehrssituation an etlichen Stellen problematisch ist.» Sie stehe mit Vertreterinnen und Vertretern in einem engen Austausch, um die Situation zu verbessern.
Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) betont, Mainz sei eine wachsende Stadt. Um sie fit für die Zukunft zu machen, müssten Straßenbahn und Fernwärme ausgebaut werden. Das gehe mit Baustellen einher. Die Stadtverwaltung sei bestrebt, Bauarbeiten so zu planen, dass es möglichst wenig Einschränkungen der Mobilität gebe. «Leider lassen sich Verkehrsbehinderungen jedoch nicht vermeiden.»
Der Sinn und Zweck von Baustellen werde vom Handel nicht in Zweifel gezogen, sagt Sebastian. Auch die Hauptgeschäftsführerin der IHK Rheinhessen, Karina Szwede, sagt, dass Investitionen in die Infrastruktur nötig seien. In Mainz sähen sich Einzelhändler in der Innenstadt aktuell jedoch benachteiligt etwa gegenüber Händlern auf der grünen Wiese. Und das falle in eine Zeit, in der aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Lage eine gewisse Konsumzurückhaltung herrsche und der Online-Handel viel Umsatz abgreife.
Dass das Weihnachtsgeschäft von immenser Wichtigkeit ist, ist eine Selbstverständlichkeit. Früher sei etwa bei Juwelieren im Dezember der dreifache Monatsumsatz drin gewesen, sagt Sebastian. Inzwischen werde weniger geschenkt als früher, da seien vielleicht noch doppelte Umsätze möglich. Der Dezember sei schlicht einer der wichtigsten Erlösbringer.
Herausforderung auch in Ludwigshafen – Trier baut letzte Poller 2025
Auch in Ludwigshafen sind Baustellen in der Vorweihnachtszeit echte Herausforderungen – besonders für den Einzelhandel. Mehrere wichtige Verkehrsachsen sind betroffen, etwa die Hochstraßen und Rhein-Brücken. Dabei war der Weihnachtsmarkt in der zweitgrößten Stadt des Bundeslandes vor wenigen Tagen als erster in Rheinland-Pfalz eröffnet worden.
In Trier hatten in den vergangenen Wochen Bauarbeiten rund um den zentralen Hauptmarkt für Ärger gesorgt. Dort wurden Pflasterfugen saniert und mehrere Poller errichtet: Das sorgte für Sperrungen, Umleitungen, Staub und Baulärm. Einzelhändler klagten, dass weniger Kunden kämen, auch weil Läden hinter Bauzäunen schwer erreichbar waren.
Auch mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft hat die Moselstadt ihren Zeitplan für die Poller-Baustellen in der Fußgängerzone nun geändert. Das Baufeld wurde geräumt und vorläufig mit Asphalt geschlossen. Die letzten beiden Poller der Sicherungslinie Simeonstraße sollten nun 2025 gebaut werden.
Auch positive Folgen
Die Händlerinnen und Händler in Koblenz hoffen trotz Krisen auf stabile Weihnachtsumsätze, teilt der Gewerbeverein SMART auf Anfrage mit. «Gerade Handelsunternehmen aus den Branchen Sportartikel, Spielwaren, Unterhaltungselektronik, Uhren und Schmuck, Glas, Keramik und Bücher machen einen erheblichen Anteil ihrer Jahresumsätze im Weihnachtsgeschäft», teilt ein Sprecher mit.
Weihnachtsmarkt und Christmas Garden lockten seit Jahren mehr Menschen nach Koblenz. Das sorge für zusätzliche Kundenfrequenz. Leider gebe es zurzeit rund um die Innenstadt «nicht vermeidbare Baustellen.» Vor allem Menschen, die in die Stadt pendelten, bräuchten dafür mehr Zeit.
Der Gewerbeverein sieht aber auch positive Folgen: «Die Gewerbetreibenden profitieren in Zukunft natürlich von der instand gesetzten Infrastruktur.» Vor allem die neue Pfaffendorfer Brücke, die über den Rhein in die Innenstadt führt, sichere die künftige Erreichbarkeit.
«Wir als Gewerbeverein wünschen uns vor allem einen Erhalt der vorhandenen Stellplätze oder eine entsprechende Kompensation beim Wegfall eben solcher», heißt es. «Der weitere Ausbau des ÖPNV gerade in die umliegende Region ist genauso wichtig wie die Schaffung von entsprechenden Shuttle-Angeboten.» (dpa/lrs)