Mainz. Mitte Juli in Trier: Ein Mann bedroht zwei andere Männer mit einer Schusswaffe. Die Polizei rückt in großer Zahl mit Diensthunden an und entwaffnet den Verdächtigen. Erst nachdem er überwältigt ist, stellt sich die vermeintliche Pistole als Schreckschusswaffe heraus.
Ein noch bedrohlicherer Vorfall ereignet sich vor zwei Jahren in Linz am Rhein: Zeugen berichten von einem Mann mit Gewehr in Tarnklamotten. Sofort rückt die Polizei mit einer Vielzahl von Streifen an, sucht auch mit einem Hubschrauber nach dem scheinbar schwer bewaffneten Mann. Von den Einsatzkräften gestellt, gibt er schließlich an, unbewaffnet zu sein – das Gewehr sei nur eine Softair-Waffe.
Immer wieder sorgen vermeintliche Bedrohungen für Hochdrucksituationen bei der Polizei und für Schreckmomente bei Menschen, die bedroht werden oder eine täuschend echte Waffe zu Gesicht bekommen. «Das Problem ist einfach, dass man es nicht unterscheiden kann», sagt Ingo Schütte, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Mainz. «Weil man sich im Bruchteil von Sekunden entscheiden muss, muss man immer vom schlimmsten Szenario ausgehen», erklärt er. In diesem Fall heißt das: Die Beamten müssen in Gefahrensituationen mit Anscheinswaffen umgehen, als seien sie echt.
Die GdP in Rheinland-Pfalz sieht Delikte mit den vermeintlich echten Schusswaffen als einen Trend. «Sowohl Airsoft als auch Schreckschusswaffen erfreuen sich vermehrt einer Beliebtheit», sagt Schütte. Dabei kommt es zu Bedrohungen, Überfällen oder falschen Alarmen, weil Unbeteiligte eine dieser Waffen sehen.
«Ein politisches Handlungsfeld würden wir erkennen, wenn man Hersteller zwingt, die Waffen anders zu gestalten», sagt Schütte. Für viele Käufer von Softair-Waffen wären knallgelbe oder orangene Waffen demnach weniger attraktiv. Einem Missbrauch der vermeintlichen Waffen sowie falschem Alarm lasse sich dadurch jedoch vorbeugen.
Delikte mit den genannten Waffenarten werden nicht komplett in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst, wie das rheinland-pfälzische Landeskriminalamt (LKA) auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Einen Trend gibt es jedoch zur Zahl der Straftaten, bei denen eine Schreckschusswaffe sichergestellt wurde. Laut LKA stieg sie 2022 leicht an. Im Vorjahr war die Zahl knapp gesunken, weshalb sich über die letzten fünf Jahre kein großer Anstieg gezeigt habe. Unter den Trend fallen sowohl andere Straftaten, in deren Folge eine Schreckschusswaffe gefunden wurde, als auch ein unerlaubtes Führen – also das Tragen in der Öffentlichkeit.
«Wir stellen uns immer wieder die Frage: Wie viele Waffen müssen in Umlauf sein? Jede Waffe im Umlauf ist für uns als Polizei zumindest eine Herausforderung oder auch eine Gefahr», betont der stellvertretende GdP-Vorsitzende Schütte. Das betreffe auch die vielen scharfen Waffen, die legal im Umlauf seien. Insbesondere seit dem Mord an zwei Polizisten in Kusel im Januar 2022 sei das Thema Waffenverbreitung ein bei der Polizei in Rheinland-Pfalz viel diskutiertes Thema, erläutert Schütte.
Softair- und Anscheinswaffen erscheinen als originalgetreue Nachbauten echter Waffen – von Pistolen bis hin zu militärischen Sturmgewehren, erklärt Schütte. Softairs verschießen mittels Federdruck, Gas oder Druckluft kleine Kugeln – oftmals aus Plastik. Bis zu einer gewissen Geschossenergie (0,5 – 7,5 Joule), sind sie für Erwachsene frei erhältlich. In der Öffentlichkeit eine Anscheinswaffe zu führen, ist verboten. Schreckschusswaffen sind ab 18 Jahren frei erhältlich. Um eine solche Waffe mit sich zu führen, braucht es einen kleinen Waffenschein. (dpa)