Mo, 11.11.2024 , 10:16 Uhr

Rheinland-Pfalz: Bürgermeister gesucht - 90 Gemeinden im Land ohne Chef

Zur Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz fehlten in 544 Gemeinden Bürgermeisterkandidaten. Viele Stellen sind nun besetzt, doch einige Rathäuser stehen noch ohne Leitung da. Woran liegt das?

Von Philipp Rahn, dpa

Mainz. Mangelnde Zeit, überbordende Bürokratie oder die kommunale Finanzsituation: Die Gründe, aus denen sich Menschen gegen ein politisches Ehrenamt entscheiden, sind vielfältig. Dabei baut die Kommunalpolitik in Rheinland-Pfalz auf das Ehrenamt. Alle 2.260 Kommunen, die einer Verbandsgemeinde angehören, werden von ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern geführt. Jedoch stehen laut Zahlen des Innenministeriums 90 von ihnen nach der Kommunalwahl im Juni dieses Jahres immer noch ohne Rathauschefin oder Rathauschef da.

Eine «gewisse Dynamik» in der Besetzung der Ortsbürgermeisterämter sei nach Kommunalwahlen üblich, sagt ein Ministeriumssprecher in Mainz. Demnach gab es zur Kommunalwahl im vergangenen Juni in 544 Kommunen keinen Wahlvorschlag für das Amt der ehrenamtlichen Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters. Zwischenzeitlich sei in einem Großteil dieser Gemeinden ein Kandidat vom Gemeinderat gewählt worden, der sich im Anschluss an die Kommunalwahlen bereit erklärt habe. «Das ist nach Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz nicht ungewöhnlich», sagt auch Moritz Petry, Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz. Bereits nach der Wahl 2019 habe es in 467 Ortsgemeinden keine Bürgermeisterin oder Bürgermeister gegeben. Aber: «Gegenüber der Kommunalwahl 2019 haben die Fälle der Ratswahl zugenommen», so Petry.

Vielfältige Gründe für freie Rathaussessel

Die Gründe dafür seien jedoch unterschiedlich. Einerseits lässt sich laut Petry in der Gesellschaft generell ein Trend zum projektbezogenen Engagement erkennen. Viele Menschen schreckten vor einer langfristigen Bindung an ein Ehrenamt, wie etwa eine fünfjährige Amtszeit als Bürgermeister, zurück. Zudem seien Menschen mit Beruf und Familie «in unserer schnelllebigen Zeit mehr gefordert» und überlegten sich deshalb, ob noch genug Zeit für ein Bürgermeisteramt bleibe.

Andererseits sei aber auch die Situation in den Kommunen ein Grund für das Ausbleiben von Kandidaten. Seinen Angaben zufolge nehmen die Aufgaben der Kommunen immer weiter zu, die Bürokratie sei eines der größten Probleme. Hinzu komme die kommunale Finanzsituation: «Wenn ich aus Geldnot wenig gestalten kann und im Zweifel nur unattraktive Entscheidungen wie Steuererhöhungen und Mittelkürzungen beschließen muss», wenn vielleicht sogar Projekte eingestellt oder ein Spielplatz geschlossen werden müssten, sei das Amt nicht sonderlich attraktiv, meint Petry.

600 Bürger, kein Bürgermeister

Eine der Kommunen, die nach der Kommunalwahl noch ohne Bürgermeister ist, ist Wiebelsheim im Rhein-Hunsrück-Kreis. Wiebelsheim ist eine beschauliche Gemeinde mit rund 600 Einwohnerinnen und Einwohnern. Weil weder der Bürgermeister noch die Beigeordneten bei der vergangenen Wahl erneut kandidierten, wurde zwischenzeitlich der erste Beigeordnete der Verbandsgemeinde Hunsrück-Mittelrhein, Christian Stahl (CDU), eingesetzt, um die Amtsgeschäfte zu führen.

In Wiebelsheim sei die Situation eine besondere, sagt er. «Zwölf Personen wurden in den Gemeinderat gewählt, davon sind neun Mitglieder komplett neu.» Die Aufgaben in der Gemeinde seien vielfältig, etwa wegen des großen Industriegebiets oder der neu gebauten Kindertagesstätte im Ort. Auch daher traue sich bislang noch keines der Ratsmitglieder zu, den Bürgermeisterposten zu übernehmen. Aber Stahl geht davon aus, dass es mittelfristig einen Kandidaten für das Amt geben werde. «Es ist keine komplett verfahrene Situation. Ich bin guter Hoffnung, dass sich eine Lösung finden wird», sagt er.

Geld fürs Ehrenamt

Laut dem Innenministerium hat die Landesregierung in den vergangenen Monaten einige Maßnahmen ergriffen, um die Attraktivität des Amtes zu erhöhen. So sei etwa die Aufwandsentschädigung zweimal um sechs Prozent erhöht worden. Die Höhe der Entschädigung ist dabei abhängig von der Einwohnerzahl. Ein Bürgermeister in einer Gemeinde wie Wiebelsheim erhält beispielsweise 836 Euro im Monat.

Zusätzlich befänden sich derzeit Verbesserungen beim Ehrensold in der parlamentarischen Beratung. Diesen erhalten ehemalige Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nach mindestens zehn Dienstjahren. Nach einer solchen Amtsdauer beträgt der Ehrensold derzeit 25 Prozent der zuletzt bezogenen Aufwandsentschädigung.

«Als weitere Maßnahme wurden die Möglichkeiten der personellen Unterstützung der Ortsbürgermeisterin bzw. des Ortsbürgermeisters erweitert», so der Sprecher des Innenministeriums. Doch auch er betont: Die Gründe für unbesetzte Bürgermeisterstellen seien vielfältig. (dpa/lrs)

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