Mainz. Nilgänse am Badesee, Asiatische Hornissen hoch oben in der Baumkrone oder Ochsenfrösche im Teich: Diese invasiven Arten gehören in Rheinland-Pfalz zu den am stärksten verbreiteten. Sie nerven nicht nur wie Nilgänse auf Wiesen beim Picknicken oder Baden, sondern machen auch Landwirten, Imkern und Naturschützern Sorgen.
«Invasive Arten sind nur ein kleiner Teil der Neozoen, die aber massive Probleme machen können», sagt Lisa Tippelt vom Landesamt für Umwelt (LfU) in Mainz. Neozoen sind Tierarten, die sich seit Beginn des interkontinentalen Handels Ende des 15. Jahrhunderts durch Zutun des Menschen in ihnen zuvor fremden Gebieten angesiedelt haben.
Etwa zehn Prozent der Neozoen könnten sich im neuen Umfeld einigermaßen («unbeständig») halten, sagt die Fachfrau. Davon etablierten sich nur rund zehn Prozent und davon wiederum seien nur ungefähr zehn Prozent invasive Arten.
Die Europäische Union hat 2016 erstmals eine Liste invasiver gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten von unionsweiter Bedeutung herausgegeben und aktualisiert diese fortlaufend. Aus 37 Tier- und Pflanzenarten (darunter 23 Neozoen) sind demnach inzwischen 88 geworden, davon 47 Neozoen, wie Tippelt berichtet.
Asiatische Hornissen fressen immer mehr Honigbienen
Das erste Nest asiatischer Hornissen wurde in Rheinland-Pfalz 2014 entdeckt, fast zehn Jahre später (2023) wurden bereits mehr als 1000 Meldungen erfasst, so Tippelt. Allerdings sei dieser Zahl auch ein Meldeaufruf vorausgegangen, um gegen die Insektenfresser – darunter auch Honigbienen – vorgehen zu können, deren Nester bekämpft werden müssten.
Vermutlich sei die invasive Art 2004 in einer Warenlieferung von China nach Frankreich eingeschleppt worden. Inzwischen konzentrierte sie sich in Rheinland-Pfalz auf die Oberrheinebene mit Frankenthal, Speyer und Worms, sei aber mittlerweile in weiten Teilen des Bundeslandes anzutreffen. «Im Saarland gibt es sie flächendeckend.»
Im Sommer zögen die Völker in ein zweites Nest um, oft in Bäumen bis 30 Meter hoch. Ihr halbkugeliges Nest habe einen Durchmesser von etwa 80 Zentimetern und das Volk könne bis zu 2000 Asiatische Hornissen umfassen. Zum Vergleich: Bei den herkömmlichen Hornissen sind es 400 bis 700. «Asiatische Hornissen haben sehr großen Hunger und sind wendiger als unsere einheimischen Hornissen, da sie auch rückwärts fliegen können», sagt Tippelt. Zudem gibt es Fälle, in denen Asiatische Hornissen die Bienen direkt an ihren Fluglöchern abpassen.
Nilgänse können gejagt werden – aber nicht überall
«Nilgänse können sehr aggressiv sein und andere Küken etwa von Stockenten im Einzelfall ertränken», berichtet Christian Dietzen von der Vogelschutzwarte des Landes. «Die Art hat das Potenzial für andere Arten eine Gefahr darzustellen, das Problem hält sich aber in Rheinland-Pfalz noch in Grenzen.» Die Nilgans-Population nehme seit den 1980er Jahren zu, vor allem an Flüssen wie dem Rhein und der Mosel seien die Vögel sehr präsent.
Besonders fielen Nilgänse auf, wenn sie Junge haben und sich dann – wie andere Gänse – mit anderen Familien zusammentäten. Da könnten im Winterhalbjahr schon mal 500 bis 600 Tiere zusammenkommen. «Kanadagänse konzentrieren sich mehr auf bestimmte Stellen und wandern nicht so weit umher wie Nilgänse.»
Aus der Sicht des Naturschutzes seien Nilgänse aber kein Problem, obwohl es immer mehr werden. «Keine andere Art ist in ihrem im Bestand von ihnen bedroht.» Allerdings gebe es mancherorts erhebliche Konflikte mit den Menschen. Schwimmbäder, Golfplätze und Liegewiesen nennt Dietzen als Beispiele. Und wenn Kanada- und Graugänse noch dazu kämen, könnten die Vögel auch mal ernsthafte Ernteschäden verursachen.
Nilgänse dürften gejagt werden, allerdings nicht in Siedlungen. «Das ist Teil des Problems, denn sie merken das und halten sich dort besonders gerne auf.»
Laut und schnell: Halsbandsittiche breiten sich weiter aus
Als invasive Art werden die grünen, lauten und schnellen Vögel nicht geführt, verbreiten sich aber immer stärker. Aus dem Bonn-Kölner Raum ziehe es sie immer mehr rheinaufwärts nach Remagen und Linz. Daneben gebe es noch zwei andere Vorkommen: Den Raum Mainz-Wiesbaden und den Rhein-Neckar-Raum mit Ludwigshafen, Mannheim, Heidelberg und zunehmend auch Speyer und Worms. Dazu komme eine kleinere Kolonie in Zweibrücken.
Die Halsbandsittiche tauchten aber auch immer häufiger in Neustadt/Weinstraße, Landau und Germersheim auf und schlössen zunehmend die Lücke zwischen Mainz und Ludwigshafen. Die Verbreitung habe aber keine ökologischen Auswirkungen auf andere Arten – bis auf eine gewisse Konkurrenz um Bruthöhlen. Dabei seien sie aber anderen Arten wie Staren mitunter unterlegen.
Die grünen Sittiche hätten einen geregelten Tagesablauf, gingen gemeinsam auf Nahrungssuche und kehrten anschließend zu ihren festen Schlafplätzen zurück. Ähnlich wie Spechte könnten sie Bruthöhlen in der Dämmung von Häusern bauen.
Der Ochsenfrosch frisst viel und überträgt Hautkrankheiten
Der 15 bis 20 Zentimeter große nordamerikanische Ochsenfrosch hat nach Darstellung Tippelts einen «großen negativen Einfluss» auf die Biodiversität. «Er frisst alles, was er bekommen kann und ist damit auch eine große Nahrungskonkurrenz für unsere einheimischen nur etwa sechs Zentimeter großen Frösche.» Er könne auch einen Pilz übertragen, der bei Amphibien zu Hautkrankheiten führe.
Besonders verbreitet ist der Ochsenfrosch in der Südpfalz im Kreis Germersheim in den Rheinauen sowie in einzelnen stehenden Gewässern. Mehr als 1000 Tiere sowie Larven und Laich seien bereits entnommen worden, berichtet Tippelt. Einige Teiche würden eingezäunt und die Frösche mit Eimern abgefangen.
Großkrebse sind wegen der Krebspest und der Gefräßigkeit gefürchtet
Invasive Großkrebse bedrohten schon seit dem 19. Jahrhundert die heimischen Edelkrebse, weil sie Pilzkrankheiten übertragen und die Krebspest verursachen, wie Fulgor Westermann, Gewässerökologe am LfU sagt. Aktuell sind vier Krebsarten von der EU-Liste auch in Rheinland-Pfalz nachgewiesen, darunter der Kamberkrebs, der Signalkrebs und der Louisiana-Sumpfkrebs.
Der sehr fortpflanzungsfähige Kalikokrebs steht noch nicht auf der Liste. «Der Kalikokrebs kann in kleinen Stehgewässern die gesamte Pflanzen- und Tierwelt vernichten, weil er alles vollkommen leer frisst», sagt Westermann. Allerdings baue er seine Wohnröhren vor allem in schlammigem Substrat und bleibe daher möglicherweise auf die gefällearmen Unterläufe der Nebengewässer des Rheins in der Oberrheinebene beschränkt.
Prävention und Sensibilisierung können gegen die Gefahren helfen
«Prävention ist bei invasiven Arten ganz wichtig», sagt Tippelt. Dazu zähle zunächst die Sensibilisierung der Bevölkerung und etwa der Imker.
Nilgänse oder andere Neozoen wie Nutria sollten keinesfalls gefüttert werden. Der Handel, der Tausch und die Haltung invasiver Arten der EU-Liste sei verboten. Solche Tiere sollten nicht ausgesetzt und auch kein Teichwasser in die Umwelt geschüttet werden, weil möglicherweise Eier enthalten seien. «Am besten können invasive Arten bekämpft werden, wenn es erst wenige Tiere gibt.» (dpa/lrs)