Dr. Peter Kurz, der ehemalige Oberbürgermeister von Mannheim, hat mit seinem Buch „Gute Politik – Was wir dafür brauchen“ einen kritischen und zukunftsorientierten Beitrag zur politischen Debatte in Deutschland geliefert. In einem Interview mit Ralph Kühnl, Geschäftsführer von RNF, spricht er über die besonderen Herausforderungen, vor denen die Demokratie heute steht, und darüber, warum Städte als politische Akteure mehr Gehör finden sollten. Kurz plädiert für eine Politik, die Fehler eingesteht, und betont, dass ein ehrlicher, pragmatischer Umgang mit den Bürgern das Vertrauen in die Demokratie wiederherstellen kann.
In einer Zeit, in der die Demokratie weltweit unter Druck steht, veröffentlicht der ehemalige Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz sein Buch „Gute Politik – Was wir dafür brauchen“. Es ist keine leichte Lektüre, aber eine, die gerade aufgrund ihrer kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Prozessen wichtig ist. Im Interview mit Ralph Kühnl gibt Kurz Einblicke in seine Motivation und stellt seine Thesen zur Debatte.
„Es war mir ein Anliegen, meine Erfahrungen zu reflektieren und das, was sich ändern muss, klar anzusprechen“, erklärt Kurz auf die Frage, warum er das Buch verfasst hat. Es geht ihm nicht um Rückblicke auf seine Amtszeit, sondern um einen klaren Blick nach vorn. Sein Ziel: Eine Debatte darüber anzustoßen, wie gute Politik in der Zukunft gestaltet werden kann.
Einer der zentralen Punkte in Kurz’ Buch ist die besondere Rolle der Städte. Sie könnten, so seine These, die globalen Herausforderungen besser meistern als die Nationalstaaten. Warum? Kurz sieht hier strukturelle Vorteile: „Die Nähe zu den Bürgern und den Ergebnissen zwingt die Kommunen zu einer schnelleren und pragmatischeren Reaktion. Es entsteht eine besondere Form von Agilität und Bescheidenheit“, sagt er im Interview.
Für Kurz steht die Kommunalpolitik in einer ganz eigenen Tradition, die sich durch Raumbezug und Integration unterschiedlicher Fachbereiche auszeichnet. Im Gegensatz zur oft abstrakten Fachpolitik auf Landes- oder Bundesebene steht in den Städten der Raum – das Quartier, der Stadtteil – im Vordergrund. Die Ergebnisse der Politik sind direkt sichtbar und müssen unmittelbar auf die Bedürfnisse der Bürger eingehen.
Dennoch, so betont er, seien nicht alle Städte gleich. Während eine Stadt wie Mannheim kreative Lösungen in einer überschaubaren Größenordnung finden kann, stoßen Megastädte wie Guangzhou in China an ihre administrativen Grenzen. „Ein 20-Millionen-Moloch kann niemand wirklich steuern“, erklärt Kurz und spricht sich für kleinere Einheiten und mehr Eigenverantwortung in den Städten aus.
Einen weiteren wichtigen Unterschied sieht Kurz in der Art und Weise, wie Städte und Nationalstaaten politische Entscheidungen treffen. Während in der internationalen Politik oft nationale Eigeninteressen im Vordergrund stehen, arbeiten Städte laut Kurz konsensualer und pragmatischer zusammen. „Die Entscheidungen von Städten sind signifikant konsensualer und weniger konfliktbelastet als die der Nationalstaaten“, erklärt er.
Kurz zitiert den amerikanischen Politologen Benjamin Barber, der in seinem Buch „Wenn Bürgermeister die Welt regierten“ eine ähnliche These aufstellt: Nationalstaaten seien dysfunktional, weil sie sich als unabhängig betrachten, obwohl in einer globalisierten Welt eine enge Zusammenarbeit notwendig sei. Städte hingegen seien stärker auf Kooperation angewiesen und könnten daher als Vorbild für eine funktionierende Politik dienen.
Die Corona-Pandemie sieht Kurz als Beispiel dafür, wie Bund, Länder und Kommunen enger zusammenarbeiten müssten. Während der Pandemie habe es eine Phase gegeben, in der diese Zusammenarbeit gut funktionierte – eine Phase, die jedoch verpuffte. „Es gab damals die Chance, das System der Zusammenarbeit zu verbessern, aber wir haben sie nicht genutzt“, sagt Kurz.
Sein Vorschlag: Der Bund sollte die Kommunen stärker in politische Prozesse einbinden. Die Wärmewende und der Einbau von Wärmepumpen hätten laut Kurz durch die Einbindung der Kommunen besser und reibungsloser umgesetzt werden können. „Kommunale Wärmeplanung hätte potenzielle Widerstände frühzeitig aufgedeckt und die Debatte hätte nicht so hitzig werden müssen“, erläutert er.
Ein weiteres zentrales Thema von Kurz ist die Notwendigkeit der Politik, Fehler einzugestehen und bereit zu sein, den Kurs zu korrigieren. „Ich glaube, dass die Bereitschaft zur Korrektur Vertrauen aufbaut, nicht abbaut“, erklärt er. Gerade in einer Zeit, in der sich politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen so schnell verändern wie nie zuvor, müsse die Politik flexibel reagieren und offen mit den Grenzen ihres Wissens umgehen.
Kurz geht sogar so weit zu sagen, dass Politiker heute oft Angst haben, Fehler einzugestehen, weil sie glauben, dadurch ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Doch das Gegenteil sei der Fall: „Die Offenheit, die Grenze des eigenen Wissens zu akzeptieren und den Kurs zu korrigieren, wenn neue Erkenntnisse vorliegen, könnte das Vertrauen in die Politik stärken“, ist Kurz überzeugt.
Ein besonderes Anliegen in Kurz‘ Buch ist die Rolle der Städte in der Migrationspolitik. Mannheim, eine Stadt mit einer langen Geschichte der Zuwanderung, könnte hier als Vorbild dienen, meint er. „Städte haben es leichter als Nationalstaaten, weil sie durch die lokale Identität eine natürliche Zugehörigkeit schaffen können“, so Kurz. Er verweist auf ein Beispiel aus dem Dokumentarfilm Transnationalmannschaft, in dem ein junger Mann sagt, er würde für die Türkei spielen, aber wenn Mannheim gegen die Türkei spiele, dann für Mannheim.
Für Kurz ist klar: Städte müssen die Möglichkeit haben, alle Menschen, die in ihnen leben, zu integrieren – unabhängig von deren Aufenthaltsstatus. Auf nationaler Ebene sei dies jedoch oft nicht der Fall, was zu gesellschaftlichen Spannungen führe.
Am Ende des Interviews richtet Ralph Kühnl die Frage an Kurz, ob er optimistisch sei, dass die Demokratie die aktuellen Angriffe überstehen könne. Kurz’ Antwort ist deutlich: „Politik kann das nicht allein. Es braucht Partner in der Bevölkerung, die nach einer ehrlichen und mutigen Politik verlangen.“
Kurz zeigt sich überzeugt, dass es eine stille Mehrheit gibt, die sich genau dies wünscht – eine Politik, die nicht nur auf Umfragen und populistische Forderungen reagiert, sondern bereit ist, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, um langfristig das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen.
Dr. Peter Kurz hat mit seinem Buch „Gute Politik – Was wir dafür brauchen“ einen wichtigen Beitrag zu dieser Debatte geleistet. Seine Ansichten zur Rolle der Städte, zur Notwendigkeit von Korrekturbereitschaft in der Politik und zu einer neuen Form der Zusammenarbeit auf allen Ebenen könnten den politischen Diskurs in Deutschland nachhaltig prägen.
Peter Kurz, der ehemalige Oberbürgermeister von Mannheim, legt mit „Gute Politik – Was wir dafür brauchen“ ein Buch vor, das mit beeindruckender Detailtiefe die politischen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit analysiert. Es darf als Anleitung für eine zukunftsfähige Politik gelesen werden. Kurz gibt auf die komplexen Fragen unserer Zeit keine einfachen Antworten, und er maßt sich auch nicht an, auf alles eine Antwort zu haben. Aber er fordert grundsätzlich – und das wird im Verlauf des Buches sehr deutlich – mehr Ehrlichkeit, Mut und Wahrhaftigkeit in der politischen Debatte. Dies sind für ihn Kriterien, um Vertrauen zurück zu gewinnen und schlussendlich das politische System Demokratie zu stärken.
Peter Kurz hat mit „Gute Politik“ ein Buch geschrieben, das den Leser fordert – intellektuell und emotional. Es zeigt schonungslos auf, wie tief die Krisen unserer Zeit gehen, und bietet gleichzeitig eine Vision für eine Politik, die sich wieder an den Bedürfnissen der Bürger orientiert.