Es war der Ausdruck größtmöglicher Empörung, als vorvergangene Woche der Mannheimer Fotokünstler Luigi Toscano ankündigte, sein Bundesverdienstkreuz wieder abgeben zu wollen. Dem vorausgegangen war die Abstimmung im Bundestag, bei der erstmals ein Antrag der CDU durch die Stimmen der AfD angenommen wurde.
Die Ankündigung Toscanos schlug hohe Wellen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bot an, mit Toscano und dem Holocaust-Überlebenden Albrecht Weinberg, der ebenfalls angekündigt hatte, den Orden zurück zu geben, über ihre Entscheidung reden zu wollen. Ein Termin wurde schnell gefunden – heute nämlich. Nach seinem Besuch in Schloss Bellevue hatten wir am Nachmittag die Möglichkeit, mit Luigi Toscano zu reden.
„Ich muss zugeben, ich war etwas aufgeregt heute Morgen, bevor es zu ihm ging,“ gestand Toscano im Gespräch über sein Treffen mit Frank-Walter Steinmeier. „Die Nacht war nicht so prickelnd bei mir, ich war etwas nervös, aber dann war es eigentlich ganz gut, muss ich zugeben.“ Ursprünglich hatte er mit einem kurzen Gespräch gerechnet: „Ich hatte erwartet, dass wir eigentlich so 10, 15 Minuten miteinander sprechen. Das wurde mir da auch so im Vorfeld signalisiert. Und dass es dann doch über anderthalb Stunden geworden sind, das ist schon bemerkenswert.“
Toscano machte dem Bundespräsidenten von Anfang an klar: „Meine Entscheidung ist nicht verhandelbar.“ Steinmeier akzeptierte die Rückgabe, auch wenn ihn das ärgerte: „Das fand ich gut, dass er ganz offen auch mir gezeigt hat.“ Gleichzeitig betonte der Bundespräsident aber, dass die Ehrung an sich bestehen bleibe: „Das bedeutet offiziell habe ich und Weinberg die Medaille und das Kreuz zurückgegeben. Aber die Ehrung, die dahintersteckt, die bleibt erhalten.“
Ein zentrales Thema war die politische Lage in Deutschland, insbesondere die jüngsten Entwicklungen im Bundestag. Toscano äußerte sein Misstrauen gegenüber CDU-Chef Friedrich Merz: „Meine Meinung ist die, dass ich wenig Vertrauen habe in Friedrich Merz, weil ich ein bisschen mehr erwarte eigentlich als Bürger.“ Er hätte sich gewünscht, dass Merz eine klare Abgrenzung von der AfD vornimmt: „Ich fände es großartig, wenn sich Friedrich Merz dazu überreden ließe oder wie auch immer einen Beschluss zu fassen innerhalb der CDU, dass er nicht die AfD wählt oder von der AfD als Bundeskanzler gewählt wird.“
Nach der Rückgabe des Verdienstkreuzes erhielt Toscano überwiegend positive Reaktionen, aber auch kritische Stimmen: „Natürlich auch einige negative, aber auch einige Fragezeichen.“ Manche hätten ihm vorgeworfen, er bestrafe damit die aktuelle Regierung. „Da habe ich gesagt, nein, das tue ich nicht. Das habe ich auch zum Bundespräsidenten gesagt. Ich habe gesagt, Herr Bundespräsident, Sie sind immer noch mein Präsident und mein Freund.“ Er betont, dass es sich um einen „ganz normalen demokratischen Protest“ handele. Steinmeier habe ihm zugestimmt: „So hat er mir das auch formuliert, Herr Bundespräsident.“
Am Donnerstag, dem 80. Jahrestag der Bombennacht von Dresden, steht Toscano vor einer weiteren Herausforderung. Seine Ausstellung an der Frauenkirche fällt mit geplanten Demonstrationen und Aufmärschen von Rechtsextremen zusammen. „Wir sind natürlich besorgt über diese Tatsache. Wir sind auch darüber besorgt, dass sich auch europäische Neonazis angemeldet haben.“ Besonders die Frage nach der Sicherheit treibt ihn um: „Kann ich mich darauf verlassen, dass keine militanten Neonazis nach Dresden kommen, die womöglich meine Ausstellung zerstören wollen?“
Trotz der Bedrohung bleibt Toscano standhaft: „Wir haben aber auch gleichzeitig beschlossen, dass wir uns keinen Millimeter mit der Ausstellung irgendwo hin bewegen.“ Er macht unmissverständlich klar: „Die Ausstellung, die wird bis zum 25. durchgezogen.“ Die Polizei sei informiert und habe ihre Unterstützung zugesagt. „Aber ich selber, ich ziehe es durch.“
Mit seinem Protest gegen eine Normalisierung der AfD und seiner entschlossenen Haltung gegenüber rechtsextremen Bedrohungen setzt Luigi Toscano ein starkes Zeichen. Sein Gespräch mit dem Bundespräsidenten war ein Beweis dafür, dass kritischer Dialog möglich ist – und seine Ausstellung in Dresden bleibt ein Symbol für den Widerstand gegen rechte Hetze. „Ich ziehe es durch!“ – ein Satz, der in Erinnerung bleibt.