Bei einer Kundgebung unter dem Motto „Wie viele noch?“ haben Menschen in Mannheim gegen eskalierende Polizeigewalt demonstriert. Hintergrund sind mehrere Einsätze, bei denen jemand ums Leben kam – zuletzt am 23. Dezember im Stadtteil Schönau. Nach Angaben einer Polizeisprecherin folgten am Samstag 180 bis 200 Leute dem Aufruf zur Demonstration in der Innenstadt. Eine Mitorganisatorin der Kundgebung sprach von rund 250 Teilnehmern und Teilnehmerinnen. Die Aktion verlief den Angaben nach friedlich.
Anlass waren tödliche Schüssen eines Polizisten auf einen 49-Jährigen am Tag vor Heiligabend. Die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg prüfen das Geschehen. Gestern wurden das vorläufige Obduktionsergebnis veröffentlicht. Ertekin Ö. wurde nach einem Familienstreit von einem der drei Beamten, die ihm gegenüberstanden, mit vier Schüssen aus geringer Entfernung niedergestreckt. Zuvor hatte der Türke die Polizei selbst angerufen, weil in seiner Wohnung ein toter Mensch liege. Eine Leiche wurde allerdings nicht vorgefunden. Bei der Konfrontation auf der Straße war er mit einem Küchenmesser bewaffnet und ignorierte den Angaben zufolge die Anweisungen, das Messer weg zu werfen. Als er einen weiteren Schritt in Richtung der Polizisten machte, trafen ihn die Schüsse in den Oberkörper.
Weil schon früher bei Polizeieinsätzen in Mannheim und der Region Menschen gestorben waren, hatte die „Initiative 2. Mai“ sowohl die Kundgebung als auch eine Mahnwache organisiert. Zu dieser waren am Mittwochabend rund 700 Menschen gekommen. Dass die Zahl deutlich höher war als bei der Kundgebung erklärte die Mitorganisatorin damit, dass die Mahnwache in der Nähe des Tatorts abgehalten worden sei und viele Anwohnerinnen und Anwohner daran teilgenommen hätten.
Die Initiative ist nach einem Ereignis am 2. Mai 2022 benannt, bei dem ein psychisch kranker Mann infolge eines Polizeieinsatzes in der Mannheimer Innenstadt am Marktplatz starb. Der Prozess gegen zwei beteiligte Beamte wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge beziehungsweise wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen soll am 12. Januar beginnen. Polizisten dürfen Dienstwaffen nur als „Ultima Ratio“, also alsäußerstes Mittel, nutzen. Dass dabei Menschen sterben, passiert in Baden-Württemberg den Angaben zufolge sehr selten. (dpa/wg)