Am rechten Rand zu fischen lohnt sich einer Studie zufolge für gemäßigte Parteien nicht. Zuweilen würden radikalere Parteien sogar gestärkt, weil ihre Ansichten etwa zum Umgang mit Flüchtlingen gesellschaftskonformer werden. Das haben der Mannheimer Politikwissenschaftler Denis Cohen und seine Kollegen Werner Krause von der Uni Wien sowie Tarik Abou-Chadi von der Uni Oxford bei der Analyse von Wahl- und Umfrageergebnissen aus zwölf westeuropäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz herausgefunden. Die Daten reichen bis in die 1970er Jahre zurück.
«Als Reaktion auf die anhaltenden Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien wurde und wird immer wieder gefordert, man müsse deren Themen aufgreifen und ihre Standpunkte übernehmen, um so den Sorgen der Menschen zu begegnen», sagte Cohen vom Zentrum für Europäische Sozialforschung der Universität Mannheim. «Das, so der Wunsch, würde gemäßigte Parteien wieder attraktiver machen und den Rechtsradikalen den Wind aus den Segeln nehmen.» Der Auswertung der Daten zufolge stimmt das in der Regel jedoch nicht.
Als Beispiel nannte Cohen die Präsidentschaftswahl in Frankreich. Seit Jahren stünden in dem Nachbarland Themen wie Einwanderung und nationale Identität oben auf der Agenda der Mitte-Rechts-Parteien – in die Stichwahl am Sonntag habe es aber einmal mehr die Rechte Marine Le Pen geschafft. Im bayerischen Landtagswahlkampf 2018 wiederum habe die CSU einen nach Einschätzung des Forschungsteams einwanderungsfeindlichen Wahlkampf geführt, aber letzten Endes mit rund 37 Prozent das schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten erzielt. Die AfD kam auf gut 10 Prozent und zog erstmals ins Parlament ein.
«Unsere Analysen liefern keine Beweise dafür, dass die Annahme von mehr einwanderungsfeindlichen Positionen die Unterstützung der radikalen Rechten verringert», schreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie. Im Gegenteil würden Wechsel von Wählern regelrecht katalysiert – wobei die radikale Rechte oft Nettonutznießer sei. «Wenn Mainstream-Parteien rechtsradikale Themen aufgreifen, laufen sie eher Gefahr, den rechtsradikalen Diskurs zu legitimieren und zu normalisieren und die radikale Rechte langfristig zu stärken.»
Welche Strategien erfolgreicher sein könnten, lässt sich laut Cohen nicht sagen. «Bislang scheint der Erfolg rechtsradikaler Parteien relativ immun gegen inhaltliche Strategien etablierter Parteien.»