Die geplante „Testfahrt“ am Mannheimer „Hafen 49“ ist abgesagt worden. Wie der Veranstalter auf seiner Facebook-Seite mitteilt, seien für morgen großflächige Gewitterfronten vorhergesagt. Das habe man nach Rücksprache mit Meteorologen entschieden. Ob und wann es einen Nachholtermin gebe, würde man zeitnah kommunizieren. Die gekauften Tickets würden alle automatisch erstattet.
Nach gut 15 Monaten coronabedingter Zwangspause darf dieses Wochenende bei drei Club-Partys wieder ohne Abstand und Maske getanzt werden. Die beiden Ravensburger Diskotheken Kantine und Douala sowie der Hafen 49 in Mannheim durften nach Angaben des Sozialministeriums für genehmigte Modellprojekte öffnen. Den Veranstaltern zufolge können insgesamt bis zu 1200 Gäste dabei sein.
Die Veranstaltungen werden wissenschaftlich begleitet, um Erkenntnisse zum Risiko einer Übertragung des Coronavirus bei unterschiedlichen Events zu gewinnen. Die Ergebnisse könnten nach Angaben des Sozialministeriums Grundlage für weitere Erleichterungen in der Clubszene sein – «sofern die Ergebnisse vielversprechend und weitere Öffnungen verantwortbar sind». Konkrete Zielvorgaben gebe es dabei seitens des Ministeriums bislang nicht, sagte ein Sprecher.
Die Party-Besucher mussten sich nach Angaben der Veranstalter sowohl vor als auch nach dem Besuch am Wochenende testen lassen.
Die Nachfrage nach Tickets für die Open-Air-Party am Sonntag in Mannheim war nach Angaben des dortigen Veranstalters enorm: Alle 500 Online-Karten waren innerhalb von eineinhalb Stunden ausverkauft.
Seit Montag dürfen Diskotheken im Land zwar auch unabhängig von den Modellprojekten wieder öffnen, aber nur bei Inzidenzwerten bis zehn sowie unter strengen Auflagen: Zum Beispiel dürfen Clubs nur einen Gast pro zehn Quadratmetern Fläche einlassen, zudem müssen die Feiernden Mindestabstände und Maskenpflicht einhalten. Geimpft, genesen oder getestet müssen die Besucher ebenfalls sein.
In den beiden Clubs in Ravensburg startete der Modellversuch bereits gestern. Dazu der Bericht der dpa:
Es ist 23.15 Uhr, der DJ im Ravensburger Club «Kantine» schiebt die Lautstärkeregler nach oben – und die Menge drängt mit Jubelschreien auf die Tanzfläche. Mehr als eine Stunde hat es gedauert, bis ein Großteil der Besucher in diesem Moment wagt, was im Land monatelang verboten war: Tanzen ohne Abstand und ohne Maske. Doch am Freitagabend ist das ausdrücklich erlaubt – die «Kantine» ist Teil eines von der Landesregierung genehmigten Modellprojekts zur Öffnung von Clubs im Südwesten.
«Man weiß gar nicht, wie man sich da am besten verhalten soll – nach eineinhalb Jahren», sagt Besucherin Jasmine. So wie ihr scheint es zunächst auch vielen anderen Club-Gästen zu gehen: Die meisten versammeln sich am Freitagabend erst einmal um die Stehtische im Außenbereich der Diskothek statt auf der Tanzfläche.
Club-Betreiber René Minner überrascht das nicht. «Ich glaube schon, dass die Leute ein bisschen zögern, da muss man sich rantesten», sagt der 38-Jährige. «Diese japanische Distanz ist inzwischen ziemlich eingeimpft.» Doch das Interesse am Feiern ist groß: Alle 450 Tickets für den Auftakt am Freitagabend in der «Kantine» sind verkauft. Auch beim Ravensburger Rave-Club «Douala», ebenfalls Teil des Modellprojekts, sind alle 250 Online-Karten vergriffen.
«Wir haben gar nicht geschaut, welche Musik läuft», sagt Besucherin Silvia Pleghar. Das sei egal gewesen, Hauptsache man könne mal wieder feiern. «Viele Leute trifft man nur beim Weggehen, das hat die ganzen Monate gefehlt», sagt die 22-Jährige. Auch neue Leute im Club kennenzulernen habe sie vermisst. Die Wiedersehensfreude ist auch bei anderen Gästen groß: Umarmungen, Küsschen und kleine Tänze gehören zu den Begrüßungsritualen im Eingangsbereich.
Wie lang das Experiment in Ravensburg laufen darf, hängt vor allem davon ab, wie viele der Gäste sich an die Pflicht zum Nachtest halten. Die Quote müsse bei mindestens 80 Prozent liegen, sagt Club-Betreiber Minner. Sonst werde das bis 24. Juli angesetzte Modellprojekt vorzeitig abgebrochen: «Das macht mir am meisten Sorgen.» Als zusätzlichen Anreiz müssen die Gäste deshalb ein «Testpfand» von 30 Euro auf den Eintrittspreis drauflegen, das Geld bekommen sie nur bei einem Nachtest zurück. Die Auswertung des Infektionsgeschehens liegt dann beim Gesundheitsamt in Ravensburg.
Beim Modellprojekt sollen aber auch andere Erkenntnisse gewonnen werden. Die Hochschule Ravensburg-Weingarten befragt die Gäste online unter anderem dazu, wie sicher sie sich mit den Vorsichtsmaßnahmen fühlten und wie überzeugt sie von dieser Art von Cluböffnung sind. Eine Privatfirma werde zudem messen, wie sich Aerosole beim abstandslosen Feiern in Clubs verteilen, sagt «Kantine»-Betreiber Minner. «Die Firma hat aber gesagt, sie schafft es dieses Wochenende noch nicht.»
Das gleiche Unternehmen soll auch am Sonntag bei einer Open-Air-Feier in Mannheim die Verbreitung von Aerosolen messen – ebenfalls als Teil eines vom Land genehmigten Modellprojekts. Die mit 500 Tickets ausverkaufte Veranstaltung im «Hafen49» findet allerdings nur bei geeignetem Wetter statt.
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung der Modellprojekte in Ravensburg und Mannheim könnten dem Sozialministeriums zufolge Grundlage für weitere Erleichterungen in der Clubszene sein – «sofern die Ergebnisse vielversprechend und weitere Öffnungen verantwortbar sind». Konkrete Zielvorgaben gab es dabei zunächst nicht.
Am Freitagabend steht in der «Kantine» jedoch erst einmal etwas anderes im Mittelpunkt: Tanzen ohne Einschränkungen. Wie groß die Sehnsucht danach ist, zeigt die Schlange junger Besucher am Eingang, die kurz vor Mitternacht einmal um den Parkplatz vor der «Kantine» reicht. Zeit zum Feiern bleibt da aber noch genug. Schluss sei erst um 5 Uhr morgens, sagt René Minner. (dpa/asc)