Von Stefanie Järkel, dpa
Der Mangel an Erzieherinnen in Kitas führt zu kurzfristigen Einschränkungen beim Angebot. Mehrere Kommunen kürzen deshalb pauschal die Öffnungszeiten. Ein Alternativmodell hat Vorbildcharakter.
Das Kind früher abholen müssen – oder im schlechtesten Fall gar nicht erst bringen dürfen: Der bundesweite Mangel an Erzieherinnen hat auch in Mannheimer Kitas zu teilweise deutlichen Einschränkungen geführt. Familien hätten häufig spontan umplanen müssen und „schon lange nicht mehr mit zuverlässigen Betreuungszeiten planen“ können, schreiben Elternvertreter. Die Stadt hat sich aufgrund der instabilen Betreuungssituation entschlossen, zum 1. September die Öffnungszeiten zu kürzen – um eine Stunde pro Tag auf maximal 16.30 Uhr. Damit sollen auch Hunderte Kinder mehr Kita-Plätze angeboten bekommen.
Mannheim steht mit der Maßnahme nicht alleine dar. Tübingen hat vor einem Jahr die Öffnungszeiten gekürzt. Stuttgart plant in den kommenden Jahren eine schrittweise Verringerung seiner Ganztagesplätze. Offenburg hat bereits im Mai 2023 damit begonnen, in besonders belasteten Einrichtungen die Öffnungszeiten einzuschränken und ein alternatives Angebot aufzubauen. Der Städtetag hält es bereits für denkbar, den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz auf eine bestimmte Stundenzahl zu begrenzen.
60.000 fehlende Kitaplätze im Südwesten
Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen im Südwesten rund 60.000 Kitaplätze, um den Bedarf der Eltern abzudecken. Um die Nachfrage nach Plätzen erfüllen zu können, braucht es nach Berechnungen der Stiftung bis ins Jahr 2025 zusätzlich 14.800 Fachkräfte. „Der Fachkräftemangel in Baden-Württemberg ist enorm, zumal in den großen Städten“, teilt der Deutsche Kitaverband mit. „Aufgrund der Fachkraftsituation ist ein Dilemma zwischen Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Sicherung der Qualität in den Kitas entstanden.“ Dabei gehe es auch um die Frage der Bildungsgerechtigkeit: „Gerade Kinder aus bildungsfernen Haushalten profitieren am stärksten vom Kita-Besuch.“
Kinder in Offenburg fühlen sich wohl bei Betreuung durch Malteser
Die Stadt Offenburg hat trotz teilweise gekürzter Öffnungszeiten ein stabiles Ganztagesangebot geschaffen, wie auch die Elternschaft bestätigt: Mittlerweile werden in sechs städtischen Kitas Kinder ab drei Jahren nur noch von 7.30 Uhr bis 14.30 Uhr von Erzieherinnen betreut. Danach bietet der Malteser Hilfsdienst zwei weitere Stunden „Spiel- und Betreuungszeit“ bis 16.30 Uhr in den Räumen der Kita an. „Ich bin sehr dankbar für dieses Modell, stehe komplett dahinter und empfinde es als sehr gute Lösung“, sagt Jana Lunkenbein, Elternbeiratsvorsitzende einer der Kitas. „Ich habe in den letzten 15 Monaten nicht einmal mein Kind früher holen müssen – es ist die absolute Zuverlässigkeit, auf die wir Eltern uns bei den Maltesern verlassen können.“ Die Kinder würden sich zudem wohlfühlen. Bei dem Personal handelt es sich laut Stadt etwa um pädagogische Fachkräfte im Ruhestand, aber auch Menschen aus Vereinen mit Erfahrung in der Arbeit mit Kindern sowie Eltern und Großeltern. Sie erhalten eine Schulung durch die Malteser und müssen ein Führungszeugnis vorlegen. Die Kürzung der Öffnungszeiten hat laut Stadt Offenburg zu einer Entspannung der Betreuungssituation geführt. „Wir haben derzeit ausreichend Fachkräfte“, sagt ein Sprecher. Es gebe aktuell auch noch freie Betreuungsplätze. Tübingen findet keinen Anbieter für Betreuung am Nachmittag. In Tübingen gehen die Meinungen darüber auseinander, ob die Kürzung der Öffnungszeiten zu einer Stabilisierung des Angebots geführt hat: Die Stadt sagt ja, die Eltern sagen nein. Der Großteil der städtischen Kita-Plätze bietet Betreuung bis maximal 14.30 Uhr, ein kleinerer Teil bis 16.30 Uhr. Das Angebot von zwei Gruppen bis 17.30 Uhr musste laut Stadt wegen Personalmangels gestrichen werden – überdurchschnittlich viele Erzieherinnen hätten in dieser Einrichtung gekündigt. Es stünden immer noch mehr als 180 Kinder auf der Warteliste – obwohl aufgrund der Kürzung der Zeiten rund 90 gesperrte Plätze freigegeben werden konnten. Tübingen hat nach eigenen Angaben versucht, einen Anbieter wie beim „Offenburger Modell“ zu finden – erfolglos. Das Angebot „Tübinger Spielzeit“ biete derzeit etwa Vereinen, Tagesmüttern oder Eltern die Möglichkeit, in Kita-Räumen Kinder nach den offiziellen Öffnungszeiten zu betreuen. Doch hier gibt es nach Auskunft des Gesamtelternbeirates teilweise massiven Widerstand durch das Fachpersonal, das „andere Personen nicht in der Einrichtung haben“ will, wie Vorsitzende Doganay Bayrak sagt.
Mannheim sieht geringen Bedarf für zusätzliche Betreuung
In Mannheim versucht die Stadt nun ebenfalls, ein alternatives Betreuungsangebot aufzubauen. Eine erste Umfrage hat laut Verwaltung allerdings ergeben, dass nur maximal rund sechs Prozent der Eltern ein zusätzliches Angebot benötigen. Und: Trotz frei werdender Plätze stehen laut Stadt aktuell immer noch rund 1.800 Kinder ohne Kita-Platz da. Auch die Stadt Stuttgart plant, in den kommenden Jahren schrittweise ihr Angebot an Ganztagesplätzen in den Kitas einzuschränken. Statt 90 Prozent der Krippen-Plätze und rund 70 Prozent der Plätze für Kinder ab drei Jahren sollen nur noch 60 Prozent acht Stunden und mehr tägliche Betreuung bieten. Die Stadt geht davon aus, dass rund 3.000 Kinder auf einen Betreuungsplatz warten. Julia Fischer von der Landeselternvertretung der Kitas im Südwesten bezeichnet die Lage im Land als „schwierig, aber nicht hoffnungslos“. Sie lehnt pauschale Kürzungen der Kita Zeiten ab. Stattdessen fordert sie vor einem solchen Schritt, die Eltern detailliert nach ihrem Bedarf zu fragen – in welcher Kita braucht es für wie viele Kinder wann genau Betreuung? Dies sei beispielsweise in Herrenberg bei Stuttgart gelungen. Am Ende des Umfrageprozesses seien nur noch zwei Kinder von zeitlichen Einschränkungen in der Betreuung betroffen gewesen. (dpa/lsw)