Mannheim. Der Mannheimer Gemeinderat hat neue Namen für vier historisch belastete Straßen im Stadtteil Rheinau gewählt. Diese sind nach Ansicht von Experten bisher nach Kolonialisten und einem Unterstützer des Nationalsozialismus benannt. Künftig werden die Straßen die Namen des Asien-Reisenden Marco Polo, der Weltenbummlerin Ida Pfeiffer, des Meteorologen und Geophysiker Georg Balthasar Neumayer sowie der Schriftstellerin Isabelle Eberhardt tragen.
Bürger hatten im März über 18 Namen abstimmen dürfen. Dabei wählten sie diese vier Favoriten. Die neuen Straßennamen seien nach einer Widerspruchsfrist ab dem 1. Januar 2025 gültig, teilte eine Stadtsprecherin am Donnerstag mit.
Bereits im Jahr 2020 hatte sich das Leibniz Institut für Europäische Geschichte in einem Gutachten kritisch zu den vier bisherigen Straßennamen geäußert. «Gustav Nachtigal, Theodor Leutwein und Adolf Lüderitz sind Exponenten eines auf Rassismus und der Annahme der Minderwertigkeit außereuropäischer Gesellschaften basierenden, kolonialen Herrschafts- und Ausbeutungssystems», heißt es in dem durch die Stadt beauftragten Gutachten. «Auch im Falle Sven Hedins wurde ein offener Parteigänger und Unterstützer der nationalsozialistischen Rassen- und Herrschaftsideologie mit einem Straßennamen geehrt, und das 1985 zu einem Zeitpunkt, zu dem man über seine Verstrickungen in den Nationalsozialismus hätte wissen können.»
Für die «Mannheimer Kultur der Vielfalt»
Die Experten empfahlen eine Veränderung der Straßennamen und verwiesen dabei auch auf das «Leitbild 2030» der Stadt Mannheim. Darin sei die Rede von einer spezifischen «Mannheimer Kultur der Vielfalt» als Motor gesellschaftlichen Zusammenlebens, schrieben die Gutachter. «Mit diesem Leitbild der Toleranz und Pluralität ist es tatsächlich nur schwer vereinbar, historische Persönlichkeiten, die (…) für Rassismus, Gewalt, Annexion und Kolonialismus stehen, weiterhin zu ehren.»
Der Gemeinderat hatte laut Stadt im Februar 2022 mehrheitlich die Umbenennung beschlossen. In einer ersten Phase der Bürgerbeteiligung waren demnach 235 Namensvorschläge eingegangen. Diese seien auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft und auf 18 Namen begrenzt worden.
Die Namen sollten auch unter das Motto des betroffenen Taufbezirkes «Forschungsreisende und Personen des transkulturellen Austausches» fallen. (dpa/lsw/dls)