Mannheim. An Weihnachten kommen oft Menschen zusammen, die sich lange nicht gesehen haben und ihr Wissen über die anderen auffrischen wollen. «Häufig stehen sich da Informationsbedürfnis und der Wunsch nach Privatsphäre gegenüber», sagt Sozialwissenschaftlerin Anna Bruk von der Universität Mannheim. Das Interesse am anderen werde zuweilen als übergriffig empfunden, etwa wenn eine Mutter ihre Tochter mit der Frage konfrontiert: «Wann werde ich denn endlich Oma?» Viele fühlen sich in solchen Situationen verletzlich und sprechen nicht gerne darüber, betont die Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kulturvergleichende Sozial- und Persönlichkeitspsychologie.
Wer aber zur Offenheit neige, könne eine mentale Checkliste durchgehen. Diese kann folgende Fragen umfassen: «Ist mein Gegenüber einfühlsam, wie habe ich ihn oder sie in anderen Gesprächssituationen erlebt und für wie vertrauenswürdig halte ich sie, tendiert die Person zu «Schwarz-Weiß-Denken», wie vorinformiert ist sie und wie wohl fühle ich mich gerade in meiner Umgebung?»
Fallen diese Vorüberlegungen positiv aus, können nach den Worten Bruks offene Antworten auf brisante Fragen eine Beziehung verbessern und helfen, mögliche Konflikte konstruktiv anzugehen. Die damit verbundene Verletzlichkeit werde von den Gesprächspartnern durchaus positiv bewertet. «Menschen denken immer, dass andere sie als schwach oder inkompetent empfinden, wenn sie sich offen und verletzlich zeigen.» Studien belegten aber, dass das Eingeständnis etwa von Fehlern als Stärke und Mut gewertet werde. «Wir selbst sind unser schärfster Kritiker», sagt die Forscherin mit dem Schwerpunkt «Diskrepanzen zwischen den Selbst- und Fremdwahrnehmungen».
Nach einer Entscheidung gegen ein sehr persönliches Gespräch, sollte man Grenzen aufzeigen. «Man sollte klar kommunizieren, dass man das Thema nicht zu diskutieren wünscht.» Das «Nein-Sagen» falle vielen schwer: «Wir müssen lernen, dass «nein» wirklich «nein» bedeutet.» Auf die beliebte Oma-Frage könne mit der Botschaft reagiert werden: «Das ist unklar, aber wenn es soweit ist, sage ich es dir zuerst.» Werde trotzdem nachgebohrt, rät Bruk, höflich, aber bestimmt einen Schlussstrich zu ziehen, etwa mit der Ansage: «Jetzt möchte ich den Abend aber mit euch genießen.» (dpa)