Mo., 10.02.2025 , 14:22 Uhr

Mannheim: Paar wegen Mordes an Ukrainerinnen verurteilt - Baby geraubt

Mannheim. Vor wenigen Tagen hat das kleine Mädchen seinen ersten Geburtstag in der Ukraine gefeiert – das Kind, dessen Mutter und Großmutter nach der Flucht aus der Ukraine im März 2024 im Norden Baden-Württembergs ermordet worden waren. Die Täter, ein deutsches Ehepaar aus der Nähe von Heidelberg, wollten eine gemeinsame Tochter haben – und das damals fünf Wochen alte Baby als ihr eigenes ausgeben. Am Landgericht Mannheim sind die 45-Jährige und ihr 43 Jahre alter Ehemann nun wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Das Gericht stellte dabei auch die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen. Das Gericht verurteilte die stoisch vor sich hin blickenden Angeklagten auch wegen der Entziehung Minderjähriger. Gegen das Urteil kann noch Revision eingelegt werden.

Richter spricht von «Vernichtungswillen»

Während der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz die Urteilsbegründung rund eine Stunde lang verliest, schüttelt er immer wieder den Kopf. «Dann erledigen und anzünden», habe der Angeklagte bei der Tatplanung in Chats geschrieben. «Überraschung zum Geburtstag, erst die Eine holen, dann die Andere», habe die Angeklagte mitgeteilt. Rackwitz spricht von «krasser Rücksichtslosigkeit» und «Vernichtungswillen». Es bestünden keine Zweifel daran, dass das Ehepaar die zur Last gelegten Taten begangen habe.

Die Frau und ihr Mann sollen demnach im vergangenen März die 27-Jährige und ihre 51-jährige Mutter getötet haben, um das Baby der Jüngeren als das eigene auszugeben. Das Motiv für die Tat sei gewesen, dass das Paar aus Sandhausen bei Heidelberg seit Längerem den unerfüllten Wunsch nach einer gemeinsamen Tochter gehegt habe. Das Paar hat laut Staatsanwaltschaft insgesamt vier Kinder, darunter einen gemeinsamen Sohn.

Angeklagte äußerten beim Prozessauftakt Reue

Zum Auftakt des Verfahrens Anfang Januar hatten die beiden Angeklagten die Taten in Erklärungen gestanden, die von ihren Anwälten verlesen wurden. Darin äußerten beide auch Reue. Der Mann teilte demnach mit, die beiden Frauen mit einem Gummihammer erschlagen zu haben.

Wie der Richter ausführte, hatte das Ehepaar sich spätestens 2023 damit befasst, ein neugeborenes Mädchen zu entführen und als ihres auszugeben. Zuvor habe die Frau eine Fehlgeburt erlitten. Die beiden hätten zunächst in Tschechien und der Schweiz gezielt nach Babys gesucht, die sie entführen könnten. Die Ehefrau sei dann spätestens im Januar 2024 einer Telegram-Gruppe zur Unterstützung ukrainischer Geflüchteter beigetreten – um ihre Chancen auf ein Baby einer Ukrainerin zu erhöhen.

Angeklagte täuschte Hausgeburt einer Tochter vor

Dadurch habe sie die 27-Jährige kennengelernt, die dort nach Hilfe beim Übersetzen für die bevorstehende Geburt ihrer Tochter gesucht habe. Die Mutter, die Großmutter und das Baby waren zum Tatzeitpunkt in einer Flüchtlingsunterkunft in Wiesloch im Rhein-Neckar-Kreis untergebracht.

Im Februar beantragte die Angeklagte beim Standesamt Sandhausen eine Geburtsurkunde für eine angeblich Anfang des Monats zu Hause geborene Tochter. Dazu legte sie demnach auch eine falsche Bescheinigung ihrer Frauenärztin vor. Die Geburtsurkunde erhielt sie.

Spätestens Mitte Februar plante das Ehepaar laut Gericht die Morde. Nach einem Restaurantbesuch sollen die Angeklagten den beiden Frauen am 6. März – zum Geburtstag des Angeklagten – zunächst heimlich sedierende Medikamente verabreicht haben.

Der Mann erschlug die beiden Frauen. Den Körper der Großmutter versenkte er laut Gericht in einem Weiher in der Nähe von Karlsruhe. Die Mutter des Säuglings erschlug er in der Nähe von Hockenheim am Rheinufer. Das Ehepaar zündete die Leiche demnach an, um eine Identifizierung zu verhindern, und fuhr mit dem fünf Wochen alten Säugling nach Hause.

«Das war der sehnlichste Wunsch meiner Frau»

Der Angeklagte sagte bei Prozessauftakt in einer durch seinen Anwalt verlesenen Erklärung: «Wir wollten unbedingt eine gemeinsame Tochter haben, das war der sehnlichste Wunsch meiner Frau.»

Am 7. März 2024 entdeckte ein Spaziergänger die Leiche der 27-Jährigen am Rheinufer. Am 13. März nahm die Polizei das Paar fest, bei dem die Ermittler das Baby unversehrt fanden. Am 19. März fanden Polizeitaucher die Leiche der Großmutter in dem See.

Baby lebt bei der Tante in der Ukraine

Das Baby lebte anschließend mehrere Monate bei einer Pflegefamilie. Im Frühsommer 2024 übernahm die Tante – die heute 21 Jahre alte Schwester der Getöteten – die Vormundschaft für das Mädchen. Ende Juni kehrte sie mit dem Baby in die Ukraine zurück, wie ihr Anwalt, Thomas Franz, sagte. Die Adoption des Mädchens sei dort beantragt, das Verfahren könne aber Monate dauern.

Die 21-Jährige trat in dem Prozess als Nebenklägerin auf. Sie erschien allerdings nach Angaben des Anwalts aufgrund der beschwerlichen Anreise nicht zum Verfahren. Der Vater des Babys ist demnach nicht bekannt. Die Großmutter sei der Frau nach Deutschland gefolgt, um mit dem Baby zu helfen.

«Der Kleinen geht es den Umständen entsprechend gut», sagte Franz nach der Urteilsverkündung. «Sie wird in einer ganz tollen Familie aufwachsen.» Die Tante habe mittlerweile ihren langjährigen Lebensgefährten geheiratet. Aber natürlich seien die Lebensbedingungen schwierig, mit beispielsweise nur stundenweise Strom am Tag. (dpa)

Mannheim Urteil

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