Auch wenn er nicht unbedingt ratlos wirkt: Ljubomir Vranjes räumt mittlerweile ein, dass er sich die Aufgabe als neuer Trainer der Rhein-Neckar Löwen etwas «einfacher» vorgestellt hat. Im Januar übernahm er beim sportlich abgestürzten zweimaligen deutschen Handball-Meister das Kommando – und blieb in vier Spielen ohne Sieg. «Wir schaffen es nicht, so zu spielen, wie ich das möchte», sagt der Schwede und spricht seinem Team die Qualität für die «Top-Acht» in der Bundesliga ab.
Auch Regisseur Andy Schmid blickt sorgenvoll in die nahe Zukunft. «Wir müssen nach unten schauen, so ehrlich müssen wir sein», sagt der Weltklassespieler vor dem Spiel des Tabellenzwölften bei Schlusslicht GWD Minden am Donnerstag (19.05 Uhr). Im Falle einer Niederlage würde der Vorsprung auf die Abstiegsplätze nur noch vier Punkte betragen.
Vor nicht allzu langer Zeit gehörten die Löwen noch zu den besten Clubs in Europa. 2016 und 2017 wurden die Nordbadener deutscher Meister, 2018 Pokalsieger. Doch es folgten personelle Fehler in Serie. Daher steht nun eine Mannschaft auf dem Feld, die nicht das Resultat eines Plans ist, sondern das Ergebnis eines jahrelangen sportlichen Missmanagements. «Bei den Löwen wurden in den vergangenen Jahren zu viele falsche Entscheidungen getroffen», sagte kürzlich Rechtsaußen Patrick Groetzki, mit 447 Einsätzen Bundesliga-Rekordspieler des Vereins, dem «Mannheimer Morgen».
Vranjes ist bereits der vierte Löwen-Trainer seit Sommer 2019. Wie schon seinen Vorgängern Kristján Andrésson, Martin Schwalb und Klaus Gärtner macht ihm die Kaderstruktur zu schaffen. Es fehlt schlichtweg an Spielern, die sowohl im Angriff als auch in der Abwehr eingesetzt werden können, weshalb die Löwen während der Spiele ständig ein- und auswechseln müssen. «Wir haben zwei Abwehr-Angriff-Wechsel», erklärt Vranjes. «Ich habe mit unseren Gegnern gesprochen, alle wollen das gegen uns nutzen. Ich würde das auch so machen.»
Doch auch der langjährige Erfolgstrainer der SG Flensburg-Handewitt hinterließ zuletzt einen merkwürdigen Eindruck, als er kurz vor der 27:30-Heimniederlage gegen die HSG Wetzlar im Urlaub weilte. Die Reise war schon bei seiner Vertragsunterschrift im Januar klar und wurde vom Club ausdrücklich genehmigt – was allerdings nicht nur im Nachhinein höchst unglücklich wirkt und ins schwer beschädigte Bild eines Vereins passt, der nicht mehr zur Ruhe kommt.
Noch größer könnten die Turbulenzen bei einer Niederlage in Minden werden. Zumal Vranjes nicht nur die Zusammensetzung des Kaders als Problem ausgemacht hat. Ihm missfällt auch Grundsätzliches. «Unser Auftreten frustriert mich», sagt der 48-Jährige und meint damit die Körpersprache der Spieler. «Jeder hat seine Probleme. Aber ich erwarte Professionalität, jeder soll seine Aufgabe annehmen» fordert Vranjes. «Es ist mir egal, ob der Spieler nächste Saison hier ist oder nicht. Ob er zufrieden ist oder nicht. Der Verein geht vor.» Eine solche Professionalität möchte er nun in Minden sehen.