Mannheim. Schätzungsweise 700 bis 800 Menschen haben am Mittwochabend im Mannheimer Stadtteil Schönau mit einer Mahnwache gegen den Polizeieinsatz protestiert, der am Samstag einen psychisch kranken Türken das Leben kostete. Aufgerufen zu der Versammlung hatte die Initiative 2. Mai. In mehreren Reden am Ort des Geschehens wurde massive Kritik an der Polizei laut.
„Wenn es Ertekin getroffen hat, kann es jeden von uns treffen“, steht auf einem der Plakate zu lesen. Auf einem anderen, das sich direkt an die Sicherheitsorgane wendet: „Sie sollen uns beschützen und nicht töten“. Von Vorwürfen des „strukturellen Rassismus in den Behörden“ abgesehen, ist der Tonfall aber weitestgehend sachlich, die Forderung nach „lückenloser Aufklärung“ wird mehrmals laut während der Mahnwache im Mannheimer Norden, die auch die Aufmerksamkeit von türkischen Medien findet.
„Ich finde es tragisch, dass es in Mannheim das dritte Mal passiert ist, dass ein Mensch in einer psychischen Ausnahmesituation von Polizisten letztendlich getötet wird statt Hilfe zu bekommen“, so Tanja Hilton (Die Linke Mannheim) von der Initiative 2. Mai. Sie fordert im RNF-Interview eine verstärkte Präventionsarbeit.
Gerhard Fontagnier (Die Grünen) stellte wie viele andere gleich mehrere Fragen in den Raum. „Wieso musste auf den Mann geschossen werden, warum sind vier Schüsse gefallen, warum in den Brustkorb, warum war es nicht möglich, den Mann mit anderen Mitteln zu beruhigen?“ Er wolle keinen Polizisten beschuldigen, aber er frage sich darüber hinaus, „warum die Polizei in Baden-Württemberg keine Taser einsetzen darf – dann hätte man das anders erledigen können.“ Im Anschluss an die Veranstaltung explodierten mehrfach Feuerwerks-Böller in der Nähe.
Der 49-Jährige Ertekin, ein Anwohner, war am Samstag mit einem Messer bewaffnet, als er mit nacktem Oberkörper auf mehrere Beamten zuging, ihre Anweisungen offenbar ignorierend. Vier Schüsse, abgefeuert aus nur wenigen Metern Entfernung, verletzten ihn so stark, dass er später in einem Krankenhaus starb. Seine Leiche sollte am Mittwoch obduziert werden. Das Landeskriminalamt hat aus Neutralitätsgründen die Ermittlungen übernommen. Aus diesem Grund wollte sich das Polizeipräsidium Mannheim heute gegenüber RNF nicht äußern. Oberbürgermeister Christian Specht warnt unterdessen vor einer Vorverurteilung der Polizei, wie er dem Mannheimer Morgen sagte.
Wir berichten morgen in RNF Life. (wg)