Mannheim. Ein Bündnis von Mannheimer Politikern und Notärzten hat wegen der Fristen für Rettungsdienste im Südwesten gegen das Land geklagt. Wie das Bündnis mitteilte, folge das Innenministerium nicht dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom Mai 2023, eine Frist von möglichst nicht mehr als zehn Minuten zum Einsatzort einzuhalten.
Mit Urteil vom 5. Mai 2023 habe der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (Az. 6 S 2249/22) in einem Normenkontrollurteil festgestellt, dass in Baden-Württemberg Rettungswagen und Notärzte binnen einer Frist von möglichst nicht mehr als 10, höchstens 15 Minuten am Einsatzort sein müssen. Diese Frist gelte für alle Patienten, auch solche mit speziellen Anforderungen, wie beispielsweise Neugeborene und Säuglinge.
Der VGH monierte, dass die Rettungsdienstplanungen in Baden-Württemberg bislang ausschließlich auf Basis einer Frist von 15 Minuten beruhten und zudem die Frist rechtswidrig „schön“ gerechnet worden sei.
Anstatt die Entscheidung des Gerichts zu befolgen, habe das Innenministerium die Aufsichtsbehörden angewiesen, die rechtswidrigen 15-Minuten-Planungen in den 34 Rettungsdienstbereichen unangetastet zu lassen. Weiter habe das Innenministerium die für den Rettungsdienst zuständigen Stellen angewiesen, die vom Verwaltungsgerichtshof für rechtswidrig erklärte Hilfsfristberechnung weiterhin anzuwenden.
„Ein handfester Skandal“
„Aus unserer Sicht ist diese Vorgehensweise des Landes ein handfester Skandal, der nicht nur juristisch sondern auch politisch nicht ohne Folgen bleiben darf“, so Chris Rihm, Sprecher der Gruppe von Mannheimer Kommunalpolitikern, die parteiübergreifend seit mehreren Monaten gemeinsam für eine bessere rettungsdienstliche Versorgung kämpfen.
Einstweilige Anordnung gegen Land beantragt
Um das Land zur Umsetzung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu zwingen, haben die Antragsteller des ursprünglichen Normenkontrollverfahrens, Kommunalpolitiker und Notärzte, vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart im Eilverfahren eine einstweiligen Anordnung gegen das Land beantragt. Eine einstweilige Anordnung ist eine vorläufige Regelung. Sie soll die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit der nachfolgenden verfassungsgerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache sichern, insbesondere den Eintritt irreversibler Zustände verhindern.
Die Missachtung einer rechtskräftigen Entscheidung des höchsten baden-württembergischen Verwaltungsgerichts durch das Land missachte nicht nur rechtsstaatliche Grundsätze, sondern gefährdet die Notfallpatienten in Baden-Württemberg, wird Rihm weiter zitiert. Durch die falsche Berechnung der Hilfsfrist würden die Bürger Baden-Württembergs über die tatsächlichen Verhältnisse im Rettungsdienst getäuscht. „Das hier ist kein Spiel , sondern bitterer Ernst. Es geht im Rettungsdienst oft um Leben und Tod und das Land maßt sich an, hierüber zu entscheiden und über dem Gericht zu stehen – eine Schande“, so Rihm weiter.
Andere Länder „Lichtjahre voraus“
Für den Herbst habe das Innenministerium einen Gesetzentwurf angekündigt, wonach eine zwölfminütige Hilfsfrist eingeführt werden soll. Andere Bundesländer und Länder in der Europäischen Union seien Baden-Württemberg teilweise Lichtjahre voraus. „Es kann doch nicht sein, dass Notfallpatienten in anderen deutschen Städten, wie zum Beispiel Aachen, mit Hilfsfristen von 8 Minuten bedacht werden, während wir in Städten in Baden-Württemberg dem Rettungsdienst fast die doppelte Zeit zugestehen“, teilte Rihm weiter mit.
Eilantrag auch gegen Pläne, Standort für Rettungshubschrauber in Friedrichshafen zu ändern
Ebenso fassungslos zeigten sich die Antragsteller im Hinblick auf die vom Land weiterhin geplante Verlegung des Rettungshubschraubers Christoph 45 vom Klinikum Friedrichshafen an einen Standort „auf der grünen Wiese“, obwohl das Rettungsdienstgesetz die Stationierung von Rettungshubschraubern an geeigneten Kliniken vorsieht.
Auch gegen diese – von den Richtern des Verwaltungsgerichtshofs im Rahmen der mündlichen Verhandlung gerügte – Maßnahme richtet sich der Eilantrag. „Der Standort des Rettungshubschraubers am Krankenhaus Friedrichshafen ist für die Qualität der Notfallversorgung am Bodensee entscheidend.“ so Dr. Benjamin Conzen, einer der Antragsteller und Notarzt des Rettungshubschraubers Friedrichshafen.
Das politische Bündnis besteht aktuell aus folgenden Mannheimer Kommunalpolitikern:
Chris Rihm (Grüne), Stefan Höß (SPD), Volker Beisel und Dr. Birgit Reinemund (FDP), Holger Schmid (FW/Mannheimer Liste), Dennis Ulas und Andreas Parmentier (LiParTie), Markus Sprengler (parteilos).
(dls)