Mannheim. Menschen in Mannheim haben im vergangenen Jahr rund 4,27 Millionen Überstunden geleistet. Davon 2,57 Millionen Arbeitsstunden zum Nulltarif, also ohne Bezahlung. Das geht aus dem „Überstunden-Monitor“ vom Pestel-Institut hervor. Die Wissenschaftler haben dabei Überstunden im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) untersucht.
„Alle Beschäftigten zusammengenommen haben den Unternehmen in Mannheim durch unbezahlte Mehrarbeit rund 37,07 Millionen Euro quasi ‚geschenkt‘. Und das ist schon äußerst sparsam – nämlich nur auf Mindestlohn-Basis – gerechnet“, sagt Elwis Capece von der NGG Mannheim-Heidelberg zu dem „pikanten Ergebnis“ der Untersuchung. Außerdem sei der Überstunden-Berg auch ein Gradmesser für den „massiven Fachkräftemangel“.
Allein in Hotels, Restaurants und Gaststätten leisteten die Beschäftigten nach Angaben des Pestel-Instituts im vergangenen Jahr in Mannheim rund 63 000 Überstunden. „26 000 davon ohne Bezahlung – quasi für umsonst“, so das Pestel-Institut. Die Wissenschaftler haben bei ihrer Untersuchung aktuelle Mikrozensusdaten ausgewertet. Basis der Überstunden-Berechnung ist die Übertragung von Branchen-Durchschnittswerten auf die Beschäftigungsstruktur von Mannheim.
Mit Blick auf die Überstunden warnt die hiesige NGG, dass Hotellerie und Gastronomie nicht dauerhaft auf die „Goodwill-Überstunden“ ihrer Beschäftigten bauen könnten. Es werde höchste Zeit, das Fachkräfte-Loch zu stopfen, das die Corona-Pandemie noch vergrößert habe. „Das klappt allerdings nur, wenn Hotels und Restaurants bereit sind, attraktive Löhne zu bezahlen. Perspektivisch muss der Gastro-Startlohn für eine Köchin oder einen Restaurantfachmann nach der Ausbildung bei 3 000 Euro pro Monat für einen Vollzeitjob liegen“, so Elwis Capece. Dieses „Lohn-Ziel“ müsse die Gastro-Branche Schritt für Schritt erreichen. Nur dann werde es gelingen, junge Menschen für eine Ausbildung im Hotel oder Restaurant zu gewinnen.
Das Gastgewerbe erlebe gerade einen regelrechten „Fachkräfte-Schwund und Mini-Job-Schub“. Ob in der Küche, im Service, an der Hotelrezeption oder an der Bar: „Die Branche versucht, fehlende Fachkräfte immer häufiger durch angelernte Beschäftigte zu ersetzen“, berichtet der Geschäftsführer der NGG Mannheim-Heidelberg. Mittlerweile seien 52 Prozent der Gastro-Beschäftigten in der Stadt Mini-Jobber.
Der Fachkräfte-Mangel und eine faire Bezahlung in der Gastronomie, im Lebensmittelhandwerk und in der Ernährungsindustrie sollen auch ein Schwerpunktthema auf dem Gewerkschaftstag der NGG Mitte November in Bremen sein, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet wird. (dls)