Mannheim. Am 2. Mai 2022 starb ein 47 Jahre alter Mann am Marktplatz in Mannheim. Die Staatsanwaltschaft hatte im Dezember Anklage gegen zwei Polizisten erhoben – am Donnerstag teilte das Landgericht die Verhandlungstermine mit.
Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft von Dezember, wird einem Polizeioberkommissar Körperverletzung im Amt mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung im Amt vorgeworfen, einem Polizeihauptmeister fahrlässige Tötung durch Unterlassen.
Die Hauptverhandlung soll am Freitag, 12. Januar 2024, 9 Uhr beginnen und an folgenden Terminen fortgesetzt werden:
So lautet die Anklage aus Dezember 2022 gegen die Polizisten:
Am Morgen des 2. Mai 2022 habe sich der 47-Jährige, der an einer paranoiden Schizophrenie litt, aufgrund einer Verschlechterung seines Zustands in das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) begeben und wieder entfernt. Kurz vor 12 Uhr soll er zum Polizeirevier in H4 gegangen sein. Sein behandelnder Arzt sei ihm gefolgt, habe den Mann aber nicht zu einer Rückkehr bewegen können. Nachdem der 47-Jährige beim Polizeirevier geklingelt hatte, entfernte er sich wieder. Der behandelnde Arzt habe die beiden angeklagten Polizeibeamten gebeten, den 47-Jährigen wegen akuter Eigengefährdung wieder in das ZI zurückzubringen. Der 47-Jährige habe sich jedoch von den Polizeibeamten nicht zu einer Rückkehr bewegen lassen und seinen Weg in Richtung Marktplatz fortgesetzt.
Als sich der Mann im Gehen zu den beiden ihm folgenden Polizeibeamten umdrehte, soll ihm der Polizeioberkommissar Pfefferspray in das Gesicht gesprüht haben, das jedoch keine Wirkung zeigte. Als der 47-Jährige am Marktplatz um die Ecke gebogen war, sei es es den beiden Polizeibeamten schließlich gelungen, ihn zu Boden zu bringen, nachdem er sich zuvor mit zwei Faustschlägen gegen sein Festhalten gewehrt haben soll.
Der Oberkommissar habe versucht, dem Mann Handschellen anzulegen, dieser soll sich aufgebäumt und der Polizist ihn mit zwei schnellen Faustschlägen gegen den Kopf geschlagen haben. Als sich der 47-Jährige in der Folge weiter wehrte, soll ihm der Polizist nochmals zwei Schläge mit der Faust an den Kopf verpasst haben.
Mann stirbt im Krankenhaus nach Faustschlägen gegen den Kopf
Der 47-Jährige habe angefangen aus der Nase zu bluten – und soll mit fixierten Händen einige Minuten auf dem Bauch liegengeblieben sein. Insbesondere aufgrund der langen und ungünstigen Fixierung auf dem Bauch sowie einer Blockierung der oberen Atemwege durch eingeatmetes Blut, soll der Mann einen Sauerstoffmangel erlitten haben. Er habe das Bewusstsein verloren und verstarb trotz Reanimationsversuchen am Nachmittag im Krankenhaus.
Nach Ergebnis der Ermittlungen sollen weder der Einsatz des Pfeffersprays noch die insgesamt vier Schläge durch den Polizisten nach polizeirechtlichen oder sonstigen Vorschriften gerechtfertigt gewesen sein. Für den Tod des 47-Jährigen soll neben seiner ungünstigen Fixierung auf dem Bauch auch das aus den vier Faustschlägen resultierende Nasenbluten zumindest mitursächlich gewesen sein, hieß es. Deshalb werde ihm Körperverletzung im Amt mit Todesfolge und – für den Einsatz des Pfeffersprays – eine versuchte gefährliche Körperverletzung im Amt vorgeworfen.
Im Hinblick auf den anderen angeklagten Polizisten ergaben die Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür, dass er am Einsatz des Pfeffersprays oder an den Faustschlägen beteiligt war oder selbst ungerechtfertigt Gewalt anwandte. Ihm werde deshalb fahrlässige Tötung durch Unterlassen vorgeworfen, da er es nach der Fixierung trotz Möglichkeit unterlassen haben soll, für eine Umlagerung des 47-Jährigen zumindest in eine Seitenlage zu sorgen. Dadurch hätte der Tod des Mannes nach der vorläufigen Einschätzung der Rechtsmedizin vermieden werden können, da er so hätte freier atmen können.
Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Mannheim, die bei einer Körperverletzung im Amt mit Todesfolge zuständig ist, entschied über die Zulassung der Anklage.
Chronologischer Video-Zusammenschnitt der Ereignisse – 91 Zeugen ermittelt
Die polizeilichen Ermittlungen wurden vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA BW) geführt. Es seien umfangreiche kriminaltechnische Untersuchungen an einer Vielzahl von Spurenträgern durchgeführt worden. 120 Videosequenzen von Zeugen seien eingegangen. Daraus soll ein chronologischer Zusammenschnitt entstanden sein, der eine Rekonstruktion des Geschehens ermögliche.
Insgesamt haben sich mehrere hundert Personen gemeldet, um sich als Zeugen zur Verfügung zu stellen. Viele davon bezogen ihr Wissen aus sozialen Medien, hieß es im Dezember. Letztlich wurden 91 Personen als echte Augenzeugen bis dato ermittelt und bis zum Abschluss der Ermittlungen als Zeugen vom LKA vernommen.
Das LKA BW sichtete in den sozialen Medien insgesamt etwa 5 900 Beiträge zu diesem Vorfall. Der Tod des Mannes mit Beteiligung von Polizisten hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. (dls)