Ludwigshafen. Zwei Tage nach Bekanntwerden ihres Austritts aus der SPD hat die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck ihre frühere Partei in harschen Worten kritisiert. «Meine SPD, wie ich sie vor fast 30 Jahren kennengelernt habe, hat alles bis zu den Menschen vor Ort gedacht», betonte Steinruck in einer Stellungnahme an den SWR. Die Partei habe zugehört, hingeschaut, erklärt, habe soziale Folgen von Entscheidungen abgefedert und habe Wirtschafts- und Industriepolitik als lokale Arbeitsmarktpolitik verstanden. «Doch das alles hat sich geändert.»
Am Montag hatte die 60-jährige Steinruck, die seit Anfang 2018 Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen ist und seit 1996 SPD-Mitglied war, erklärt, ihre Mitgliedschaft bei den Sozialdemokraten «nach langer und reiflicher Überlegung» vor einigen Wochen beendet zu haben. Dabei hieß es zunächst nur, dass es dafür «sehr viele Gründe» gegeben habe. Nun verwies sie gegenüber dem SWR unter anderem auf den Fall der Grundschule Gräfenau in Ludwigshafen. Dort müssen nach früheren Angaben der Rektorin 39 der 126 Erstklässler das Schuljahr wiederholen. Die Probleme am Schulstandort Hemshof, der von vielen als sozialer Brennpunkt bezeichnet wird und wo viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, hatte überregional für Aufsehen gesorgt. Viele der Kinder sprechen etwa schlecht Deutsch.
Steinruck erklärte dem SWR, das von einer Ampel regierte Land Rheinland-Pfalz wolle die Situation in einer Industriestadt wie Ludwigshafen mit ihrer Sozialstruktur nicht wahrhaben. «All das wird ignoriert, obwohl die Schulen – nicht nur die Gräfenauschule – nicht erst in den zurückliegenden Monaten um Hilfe gerufen haben.» In Richtung von Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) hieß es in der Erklärung Steinrucks, es müsse einen Ludwigshafener Sonderweg geben.
Im Mai hatte es ein Treffen mit Vertretern des Bildungsministeriums, der Schulaufsicht und von der Stadt Ludwigshafen gegeben. Ein Ergebnis war seinerzeit nach früheren Angaben des Ministeriums, dass es für Grundschulen in Ludwigshafen künftig zusätzliche Förderangebote geben soll. Zudem prüfe die Schulaufsicht zusätzliche Stundenzuweisungen an die Grundschule Gräfenau. (dpa)