Ludwigshafen/Mainz. «Wenn die BASF Schnupfen hat, hat ganz Rheinland-Pfalz die Grippe.» Der Ludwigshafener Chemiekonzern ist einer der größten und wichtigsten Arbeitgeber im Land. Der bekannte Spruch zeigt die Bedeutung des Unternehmens. Wenn das Management des Ludwigshafener Dax-Konzerns einen umfassenden Umbau mit möglichen Stilllegungen von Anlagen und einen zusätzlichen Stellenabbau gerade am Stammwerk in der Pfalz ankündigt, bekommt auch das Treffen der Landesregierung mit dem BASF-Vorstandsvorsitzenden Markus Kamieth eine ganz besondere Note.
Das Kabinett mit Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) an der Spitze tauscht sich am Dienstag (8.10.) im Festsaal der Staatskanzlei mit dem BASF-Management aus. Erwartet wird in Mainz neben Konzernlenker Kamieth auch die Standortleiterin für Ludwigshafen, Katja Scharpwinkel. Themen sollen unter anderem die strategische Ausrichtung des Standorts Rheinland-Pfalz sowie die Transformation und Erschließung neuer Märkte sein.
Für die Landesregierung ist BASF nicht nur einer der wichtigsten Arbeitgeber im Land, sondern auch Vorreiter bei Innovationen und Technologien – und beispielgebend für die Transformation. Dies zeige sich anhand des eingeschlagenen und von der Landesregierung unterstützten Wegs, energieintensive Prozesse CO2-arm zu gestalten, heißt es.
BASF-Chef Kamieth und Ministerpräsident Schweitzer sind noch nicht sehr lange im Job. Kamieth hatte das Steuer im April von Martin Brudermüller übernommen, Schweitzer wurde im Juli Nachfolger von Malu Dreyer. Im August kamen beide schon einmal bei einem Besuch von Schweitzer bei BASF zusammen.«Meine Landesregierung hat ein großes Interesse, dass der BASF-Standort Ludwigshafen mit seinen hoch qualifizierten und dem Unternehmen eng verbundenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine starke Zukunftsperspektive hat», hatte Schweitzer damals erklärt.
Das Treffen in Mainz ist offiziell eine Routineveranstaltung und seit vielen Jahren ein fester Bestandteil im Kalender des rheinland-pfälzischen Kabinetts, wie die Pressestelle der Landesregierung auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur erklärt. «Wir erwarten wie immer einen konstruktiven und vertrauensvollen Austausch über die Situation und die Strategie der BASF.» Dass das milliardenschwere Sparprogramm bei dem Chemiekonzern und die anstehende neue Standortvereinbarung für Ludwigshafen bei dem Treffen nicht thematisiert werden, ist aber kaum vorstellbar.
Der BASF-Betriebsratsvorsitzende Sinischa Horvat sagte der Deutschen Presse-Agentur, die aktuellen Pläne und Maßnahmen dürften nicht zu einseitig auf Kostensenkungen ausgerichtet sein. «Stattdessen muss das Potenzial des Standorts Ludwigshafen für Innovationen, nachhaltige Produkte und eine entschlossene sozial-ökologische Transformation genutzt werden.» Die bis Ende 2025 bestehende Standortvereinbarung gebe Sicherheit. «Aber die vielen aktuellen Struktur- und Sparmaßnahmen bedeuten für die Beschäftigten unweigerlich eine Zeit großer Ungewissheit.»
Der Beginn der Verhandlungen über eine neue Standortvereinbarung ist für November geplant. «Eine Laufzeit von etwa fünf Jahren, Schutzmechanismen für Mitarbeitende, insbesondere der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, und Investitionen am Standort Ludwigshafen waren wesentliche Elemente der bisherigen Standortvereinbarungen», betont Horvat. Mit diesen Eckpunkten werde man sicher wieder in die Verhandlungen gehen. «Am Ende geht es um ein Gesamtpaket als Antwort auf aktuelle und künftige Herausforderungen für den Standort Ludwigshafen und seiner Beschäftigten.»
Die Sorgen teilt auch die CDU: «Die jüngsten Meldungen der BASF zur Reduzierung am Standort Ludwigshafen sind ein weiterer bedrückender Beleg dafür, dass Deutschland im allgemeinen und Rheinland-Pfalz im speziellen längst in einer Standortkrise und nicht nur in einer Konjunkturkrise stecken», mahnt der Wirtschaftsexperte und Vize-Vorsitzende der Oppositionsfraktion, Helmut Martin. «Wenn sich nun Herr Schweitzer in seiner neuen Funktion als Ministerpräsident mit dem Vorstand der BASF trifft, so geht er vorbelastet in dieses Gespräch.»
Noch im Januar habe Schweitzer mit den Ampelfraktionen im Landtag einen Antrag der CDU-Fraktion zur Beschleunigung der von der BASF dringend benötigten Abladeoptimierung beim Mittelrhein abgelehnt. «Ein echtes Problem für den Standort Ludwigshafen im weltweiten BASF-Wettbewerb», betont der Christdemokrat. Verkehrsinfrastruktur, Energiepreise, Fachkräftemangel und Bürokratie seien die Hauptsorgen der Unternehmen in Deutschland und in Rheinland-Pfalz. «Jede Produktionsverlagerung heimischer Industrie ins Ausland führt dazu, dass Arbeitsplätze und Wohlstand bei uns verloren gehen.»
«Wir können für die BASF und den Industriestandort Rheinland-Pfalz insgesamt nur hoffen, dass der neue Ministerpräsident seinen Ankündigungen zur Unterstützung der Industrie im Land Taten folgen lässt», unterstreicht Martin. Die CDU-Fraktion erwarte, dass Schweitzer im Bund auf eine verlässliche Senkung der Energiepreise dränge, die Bildungspolitik im Land Ausbildungsreife der Schulabgänger sicherstelle sowie bei der Entbürokratisierung mehr liefere. Der Regierungschef hatte jüngst einen deutlichen Bürokratieabbau sowie einen Chemiedialog mit Unternehmen, Gewerkschaften und Verbänden angekündigt.
Es sei ein wichtiges Zeichen, dass die Landesregierung das direkte Gespräch mit den Verantwortlichen der BASF suche, erklärt Karsten Tacke, Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU). «Allerdings darf man von diesem Treffen keine Wunder erwarten.» Gehofft werde, dass die rheinland-pfälzische Ampel damit ein klares Signal an die Ampel im Bund sende. Denn viele der strukturellen Probleme, die den Wirtschaftsstandort derzeit belasten, hätten ihren Ursprung nicht auf Landesebene und könnten nicht allein in Rheinland-Pfalz gelöst werden.
Die Landesregierung könne dennoch durch kluge Standortpolitik und gezielte Entlastungsmaßnahmen eine unterstützende Rolle spielen, betont Tacke. Maßnahmen wie das jüngst vorgestellte Bürokratieabbaupaket seien ein Schritt in die richtige Richtung, um den Standort an wichtigen Stellen zu entlasten. «Jetzt kommt es darauf an, dass diesen Ankündigungen auch eine zügige und vollständige Umsetzung folgt.» (dpa)