Do, 26.09.2024 , 16:44 Uhr

Ludwigshafen: BASF will profitabler werden - Umbau und weniger Dividende - Anlagenschließungen und weiterer Jobabbau möglich

Von Wolfgang Jung, Bernd Glebe und Alexander Sturm, dpa
Ludwigshafen Der Chemiekonzern BASF schließt eine mögliche Stilllegung weiterer Anlagen am Stammwerk Ludwigshafen nicht aus, setzt aber auch künftig auf seinen Heimatstandort am Rhein. „Weitere Maßnahmen zur Anpassung von Anlagen werden derzeit geprüft und soweit erforderlich schrittweise umgesetzt“, teilte Standortleiterin Katja Scharpwinkel mit, ohne Details zu nennen. Die Mehrzahl der Anlagen sei in ihren jeweiligen Märkten wettbewerbsfähig. „Unsere Ergebnisse zeigen aber auch, dass einzelne Anlagen und Produktionslinien aufgrund von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit oder struktureller Unterauslastung keine ausreichenden Erträge mehr erzielen.“ Erste Maßnahmen seien bereits umgesetzt, etwa die Schließung der Anlagen für Adipinsäure, Cyclododecanon (CDon) und Cyclopentanon (CPon), die Ende August angekündigt worden seien. Zielsetzung für Ludwigshafen sei, „ein führender, nachhaltiger Chemiestandort für Europa und ein starker Eckpfeiler für den Erfolg von BASF“ zu sein.

Umfassendes Maßnahmenpaket
Darüber hinaus werde der Konzern seine Strukturen außerhalb der Produktion in Ludwigshafen anpassen und die Kosten durch ein umfassendes Maßnahmenpaket erheblich senken, betonte Scharpwinkel. Wie bereits angekündigt, strebe BASF bis Ende 2026 jährlich fortlaufende Gesamteinsparungen von rund 2,1 Milliarden Euro an. „Der Standort Ludwigshafen wird schlanker, aber stärker sein. Er wird eine bessere Wettbewerbsposition auf dem europäischen Markt haben und mittel- und langfristig erfolgreich arbeiten können.“ Die neue Strategie sieht eine stärkere Fokussierung auf das Kerngeschäft vor, wie der seit April amtierende CEO Markus Kamieth erläuterte. Zudem sollen Verlustbringer abgestoßen und der Sparkurs fortgesetzt werden. Kamieth kündigte zudem flachere Hierarchien und weniger Bürokratie an.

Konzentration aufs Kerngeschäft
BASF will sich nun stärker auf Kernbereiche konzentrieren – die Sparten Chemicals, Materials, Industrial Solutions und das Geschäft mit Nahrungs-, Pharma- und Kosmetikunternehmen („Nutrition & Care“). In etwa 75 Prozent dieser Geschäfte ist BASF nach eigener Einschätzung Marktführer. Die Agrarsparte, Batteriematerialien, das Coatingsgeschäft mit Lacken sowie das Abgaskatalysatorengeschäft zählt Kamieth nicht zum Kerngeschäft und prüft für sie „aktive Portfolio-Optionen“. Die Agrarsparte etwa will der Dax-Konzern an die Börse bringen: Bis 2027 soll das Geschäft in separate Gesellschaften ausgegliedert werden. Mittelfristig soll ein Minderheitsanteil der Sparte an die Börse gehen. Die Aufspaltung in Kern- und eigenständige Einheiten sei sinnvoll, auch wenn das aktuell nicht allzu viel ändere, meint Portfoliomanager Rautenberg mit Blick auf die Zeitschiene.

Einschnitte für die Aktionäre
Aber nicht nur auf die weltweit rund 112.000 Beschäftigten kommen härtere Zeiten zu, auch die Aktionäre müssen bluten – die Dividende bei BASF wird erstmals seit 2010 gekürzt. Die vergleichsweise üppige Dividende kann sich BASF nicht mehr leisten. Die Ausschüttung soll in den kommenden Jahren nur noch bei mindestens 2,25 Euro je Aktie liegen. Für 2023 hatte BASF noch 3,40 Euro pro Anteil bezahlt. Die Dividendenpolitik mit mindestens konstanten oder steigenden Ausschüttungen hat bei BASF Tradition und ist seit Jahren ein starkes Argument auch für Privataktionäre. Die Dividendenkürzung sei im schwierigen Umfeld und bei großen Investitionsplänen nachvollziehbar, meint Arne Rautenberg, Portfoliomanager bei der Fondsgesellschaft Union Investment.

Ministerin Schmitt: „Industrial Deal“ auf europäischer Ebene
Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt sagte, die aktuellen Entwicklungen bei BASF zeigten, wie herausfordernd die wirtschaftliche Lage in Deutschland sei. „Es ist ganz klar: Jede weitere Belastung für unsere Wirtschaft ist eine zu viel. Wir müssen Auflagen und Regelungen abbauen und erleichtern. Das gilt für alle politischen Ebenen – EU, Bund und Land“, sagte die FDP-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. „Wir brauchen neben einem Bekenntnis, dass wir auch in Zukunft ein starker Industriestandort sein wollen, dringend auch einen „Industrial Deal“ auf europäischer Ebene.“ Alles, was die Wirtschaft jetzt zusätzlich belaste, die Wertschöpfung schmälere und sichere, gute Arbeitsplätze vernichte, müsse gestoppt werden, betonte Schmitt. „Gerade jetzt muss die Breite und Tiefe der industriellen Wertschöpfung am Standort Deutschland insgesamt gesichert werden.“ Die Folgen einer Energiepolitik auf Bundesebene, „die leider viel zu lange ohne mittel- und langfristige Strategie ausgerichtet war“, seien spürbar. „Der Standort Deutschland braucht hier eine verlässliche und für die energieintensiven Unternehmen finanzierbare Perspektive.“

Gewerkschaft: BASF braucht mutigen Plan
Roland Strasser, Leiter des Landesbezirks Rheinland-Pfalz/ Saarland der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), sagte, die Beschäftigten „des wichtigsten und größten“ Unternehmens in Rheinland-Pfalz sorgten sich nicht nur um ihre eigene Zukunft. „Sie fragen sich auch: Was passiert mit der Region? Welche Auswirkungen haben diese Entscheidungen auf die gesamte Wertschöpfungskette? Und: entwickelt BASF sich zu einer Management-Holding?“ Strasser betonte: „Statt ständiger Ausgliederungen, Sparprogrammen und neuen Strategieausrichtungen braucht das Unternehmen einen mutigen, entschlossenen Plan nach vorne für die nachhaltige Chemie-Produktion von morgen.“ Die Gewerkschaft kritisierte die Strategie zudem als einseitig. „Anlagen abbauen, Stellen streichen und zur Transformation in Trippelschritten: Für den größten Chemiekonzern der Welt genügt das nicht als Konzept“, sagte Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE und BASF-Aufsichtsrat. Der Betriebsrat forderte, den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen von Ende 2025 auf 2030 zu verlängern. „Durch die vielen Sparprogramme fühlen sich die Beschäftigten ohnmächtig“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Sinischa Horvat.

Unternehmen: Prozesse effizienter gestaltet
Die Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU) teilte mit, sie sorge sich um die Arbeitsplätze am gesamten rheinland-pfälzischen Industriestandort. „Akut müssen vor allem die Energiepreise weiter gesenkt werden“, sagte LVU-Hauptgeschäftsführer Karsten Tacke in Mainz. Hier sei man als überdurchschnittlich energieintensiver Industriestandort bei weitem noch nicht wieder wettbewerbsfähig. „Daneben wäre es höchste Zeit, den jahrelangen Versprechungen des Bürokratieabbaus endlich Taten folgen zu lassen.“ Tacke betonte, die Attraktivität des Standorts Rheinland-Pfalz werde nur dann wieder steigen, wenn Unternehmen schnell „von den vielen unnötigen Berichts- und Dokumentationspflichten befreit“ würden. Zudem sollten die Gesamtzahl der Ge- und Verbote dauerhaft reduziert werden und alle politischen Ebenen ernsthaft dafür Sorge tragen, dass die eigenen behördlichen Verfahren und Prozesse effizienter gestaltet würden.

Politik: Enorme Herausforderungen
Zur Unterstützung der ökologischen Transformationsprozesse forderte Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (parteilos) Strukturhilfen – „sowohl für die Unternehmen als auch für die Kommunen“. Für die zweitgrößte Stadt in Rheinland-Pfalz sei es entscheidend, dass BASF die Transformation ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltig gestalte. Keine Stadt könne die Folgen eines so tiefgreifenden wirtschaftlichen Wandels mit den strukturellen sozialen und finanziellen Auswirkungen allein bewältigen. Die CDU-Opposition im Mainzer Landtag sprach von einem „bedrückenden Beleg, dass Deutschland längst in einer Standortkrise und nicht nur in einer Konjunkturkrise“ steckte. „Bei der Energiepolitik muss die Mainzer Ampel endlich ihren Einfluss im Bund geltend machen, um hier ein wettbewerbsfähiges Preisgefüge sicherzustellen“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Helmut Martin. „Die ideologisch motivierte Überforderung der deutschen Industrie muss ein Ende haben.“

Mehrere Sparprogramme
BASF hatte wegen schwächelnder Geschäfte schon 2022 ein großes Sparprogramm verkündet. Damit sollen die jährlichen Kosten bis Ende 2026 um insgesamt 1,1 Milliarden Euro sinken. Geplant ist der Abbau von rund 3300 Jobs weltweit, davon 700 Stellen in der Produktion in Ludwigshafen. Auch die Schließung mehrerer Chemieanlagen wegen hoher Energiepreise wurde beschlossen, etwa für Ammoniak und das Kunststoffvorprodukt TDI. Im Stammwerk sollen laut dem jüngsten, im Februar verkündeten Sparprogramm bis Ende 2026 zusätzlich jährlich Kosten von einer Milliarde Euro gespart werden. Wie viele Jobs dort wegfallen werden, ist noch unklar. Zudem werde der Konzern seine Strukturen außerhalb der Produktion in Ludwigshafen anpassen und die Kosten senken, sagte Scharpwinkel.

Rückkehr zu Gewinnwachstum
Mit dem gesamten Maßnahmenpaket soll der operative Gewinn mittelfristig wieder deutlich steigen. Als Ziel gab BASF aus, dass der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 2028 zwischen zehn und zwölf Milliarden Euro liegen soll. Zum Vergleich: 2023 verdiente BASF operativ knapp 7,7 Milliarden Euro, knapp 29 Prozent weniger als im Vorjahr. Trotz Sparkurses setzt der Chemiekonzern weiter auf den grünen Umbau für eine stärkere Nutzung von erneuerbaren Energien und Rohstoffen. Bis 2050 strebt das Unternehmen Netto-Null-Treibhausgasemissionen für die Produktion, den Energieeinkauf und den Rohstoffbezug an. (dpa/lrs/mj)

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