„Das sind erfreuliche Aussichten für den Handel, der in der Corona-Pandemie stark gebeutelt wurde“, kommentierte IHK-Präsident Manfred Schnabel die IHK-Kaufkraftanalyse. Der Online-Handel habe in der Pandemie einen Hype erlebt, der zumindest vorläufig an sein Ende gekommen sei. „Es ist eben kein Naturgesetz, dass der Online-Handel auf Kosten des stationären Handels wächst“, sagte Schnabel.
Zentren geben Umsätze an Umland ab – Erreichbarkeit und Sicherheit für Kunden wichtig
Die Analyse prognostiziert die Kaufkraftkennzahlen für Städte und Gemeinden im Bezirk der IHK Rhein-Neckar im laufenden Jahr. Innerhalb der Region komme es laut der Analyse zu Verschiebungen: Die Innenstädte – vor allem Mannheim und Heidelberg – geben nach IHK-Angaben Umsatzanteile an die Stadtteile und das Umland ab.
„Das sollte für beide Städte als Oberzentren ein Alarmsignal sein“, mahnte der IHK-Präsident. Insgesamt gelte für alle Kommunen, dass die Rahmenbedingungen für den stationären Einzelhandel stimmen müssen. „Für einen Teil dieser Bedingungen sind die Städte und Gemeinden maßgeblich verantwortlich“, sagte Schnabel weiter. Sie hätten es zu großen Teilen in der Hand, dass die Zentren für Wirtschaftsverkehr erreichbar blieben und dass sich Kunden wohl und sicher fühlten.
Kaufkraft und Umsätze im Einzelhandel steigen – weniger Online-Handel
Die allgemeine Kaufkraft, wobei das verfügbare Einkommen der Bevölkerung zu verstehen ist, nimmt nach Angaben der IHK um 3,2 Prozent auf 33,6 Milliarden Euro zu (2023: 4,5 Prozent). Der Anteil des Einkommens, der für Ausgaben im Einzelhandel online oder stationär zur Verfügung steht, steigt um 1,2 Prozent (2023: 3,4 Prozent). Insgesamt betrage die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in der Region somit neun Milliarden Euro.
Die Einzelhandelsumsätze vor Ort steigen laut Analyse um 4,6 Prozent (2023: 5,5 Prozent). Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 liegen die Einzelhandelsumsätze um 3,9 Prozent höher. Der Teil der Einzelhandelsausgaben, der in der Region über das Internet ausgegeben wird, liegt nach den diesjährigen Prognosen bei 13 Prozent. Damit nimmt der Online-Anteil im zweiten Jahr in Folge ab (2023: 15,6 Prozent; 2022: 17,9 Prozent).
Die steigenden Umsätze tragen dazu bei, dass sich die Kaufkraftbindungsquote für den IHK-Bezirk Rhein-Neckar um drei Prozentpunkte auf 89 Prozent erhöht. Das heißt: Es fließt weniger Kaufkraft aus der Region ab. Nichtsdestotrotz verliere der stationäre Handel des IHK-Bezirks rund eine Milliarde Euro der vorhandenen einzelhandelsrelevanten Kaufkraft an Standorte außerhalb der Region oder an den Online-Handel.
Dieses Defizit resultiere aus der Differenz zwischen den vor Ort getätigten Umsätzen (8,03 Milliarden Euro) und der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft (9,01 Milliarden Euro). „Die steigende Kaufkraftbindung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Situation vieler Einzelhandelsunternehmen schwierig ist. Die Entwicklung innerhalb der Branche ist abhängig von der Lage und dem Sortiment sehr unterschiedlich“, sagte IHK-Präsident Manfred Schnabel. Zudem erinnerte Schnabel daran, dass die Kaufkraftbindungsquote immer noch 3 Prozentpunkte unter dem Wert von 2019 liegt.
Einzelhandel hat Folgen der Corona-Pandemie noch nicht verdaut
Auch insgesamt seien die Folgen der Pandemiepolitik noch nicht verdaut: „Die Substanz vieler Handelsunternehmen ist aufgezehrt. Gleichzeitig erhalten bis zum Ende des Jahres viele Unternehmen die Aufforderung, Corona-Hilfen zurückzuzahlen, die auf die Hilfszusagen des Landes vertraut hatten“, sagte Schnabel. Es sei zu befürchten, dass dies zu einem großen Vertrauensverlust sowie zu einer Reihe von Betriebsaufgaben führen werde. Die öffentliche Hand sei nun gefordert, behutsam vorzugehen und schnell mit geeigneten Maßnahmen gegenzusteuern.
Der Einzelhandelsumsatz in Mannheim steigt 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro und nähert sich damit dem Wert aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 an (-0,8 Prozent). Ein differenzierter Blick auf die Stadtteile zeigt: Der Umsatz in der Kern-Innenstadt liegt immer noch 186 Millionen Euro und damit 20 Prozent unter dem Wert von 2019. Alle Standorte außerhalb der Mannheimer Quadrate steigerten hingegen die Umsätze. „Die Zahlen bestätigen erneut, wie sehr die Mannheimer Innenstadtwirtschaft in den vergangenen Jahren gelitten hat“, sagte Schnabel und ergänzte: „Doch Mannheim kann seiner Funktion als Oberzentrum nur mit einer starken City gerecht werden. Hierfür sind langfristig die nötigen Leitplanken zu setzen“.
Dieses Ziel müsse daher in den Planungen der Stadt fest verankert sein. Dazu zählten Konzepte, die derzeit von der Stadtverwaltung fertiggestellt werden, wie beispielsweise das Modell „Räumlicher Ordnung“, der Masterplan Mobilität oder die Umsetzung des Klimaschutzaktionsplans. Zur anstehenden Beschlussfassung des Gemeinderats über die Vorschläge der FuturRaum-Initiative sagte Schnabel: „Die Maßnahmen und das Umsetzungskonzept entstanden mit unserer Beteiligung. Wir werden den Prozess weiterhin konstruktiv-kritisch begleiten und alle Vorstellungen einzelner Interessengruppen abwehren, die der City-Wirtschaft schaden könnten.“
IHK fordert Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Mannheim Innenstadt
Mit Blick auf den neu gewählten Gemeinderat machte der IHK-Präsident zudem deutlich: „Wir brauchen ein Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Innenstadt. Einen weiteren Substanzverlust können wir uns nicht erlauben.“ Das Image der Innenstadt leide unter einem Bündel an Faktoren, die in Summe das subjektive Sicherheitsgefühl reduzierten: Die Gründe reichten von der mangelnden Sauberkeit über die Vielzahl politischer Demonstrationen und Kundgebungen bis hin zu offener Gewalt, wie sie bei der Messerattacke am Marktplatz zu erleben war. Attraktivität sei nicht zu erreichen, wenn Angsträume zulassen werden. Hier sei der Staat gefordert, Vergehen im öffentlichen Raum konsequent zu ahnden.
In Heidelberg werden 15 Prozent der Einzelhandelsumsätze im IHK-Bezirk erwirtschaftet. Doch die Kaufkraftbindung von 98 Prozent (+1 Prozentpunkt zum Vorjahr, -6 Prozentpunkte zu 2019) zeige, dass die in Heidelberg vorhandene Kaufkraft vor Ort nicht gebunden werden könne. Heidelberg habe riesiges Potenzial. Die Kaufkraft vor Ort sei hoch und Heidelberg empfange viele Touristen. „Doch die Umsätze in der Altstadt sind noch immer weit vom Vor-Corona-Niveau entfernt“, sagte Schnabel. Mit über 1,2 Milliarden Euro liege Heidelberg beim einzelhandelsrelevanten Kaufkraftvolumen auf Platz 11 von 42 deutschen Städten zwischen 100 000 und 200 000 Einwohnern.
Region überdurchschnittlich attraktive Region für Einzelhandel
Die Region Rhein-Neckar ist nach Angaben der IHK insgesamt eine überdurchschnittlich attraktive Region für Einzelhandelsunternehmen. Mit 6 774 Euro Einzelhandelsumsatz pro Kopf erwiesen sich die Menschen in der Region einkaufsfreudiger als auf Bundes- (6 578 Euro) beziehungsweise Landesebene (6 580 Euro). Aufgrund steigender Umsätze werde sowohl in Weinheim (100 Prozent) als auch Sinsheim (104 Prozent) die Schwelle zum Kaufkraftzufluss erreicht beziehungsweise überschritten, hieß es in einer Mitteilung.
Im regionalen Umsatzranking pro Einwohner lagen Schwetzingen (13 124 Euro) und Walldorf (12 648 Euro) erneut an der Spitze. Auch in Mosbach (10 182 Euro) liege der Umsatz pro Kopf erstmals seit vor der Corona-Pandemie wieder im fünfstelligen Bereich. „Neben einer attraktiven Innenstadt beeinflussen überregional bedeutsame Fachmärkte und Nahversorgungszentren in gut erreichbaren Lagen die Kaufkraftkennzahlen dieser Städte“, erklärte Schnabel.
Walldorf weise pro Kopf die höchste allgemeine Kaufkraft unter den Ober-, Mittel- und Unterzentren auf (33 290 Euro) und verdränge damit Ladenburg auf den zweiten Platz (32 636 Euro). Weinheim (32 486 Euro) komplettiere die Top 3-Zentren. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Kaufkraft pro Kopf liegt in der Region bei 28 375 Euro.
Von der allgemeinen Kaufkraft stünden dem Einzelhandel im Bezirk der IHK Rhein-Neckar rein rechnerisch sowohl stationär als auch online 27 Prozent zur Verfügung. Pro Kopf bedeute das eine einzelhandelsrelevante Kaufkraft von 7 605 Euro. Verglichen mit dem Vorjahreswert seien das pro Einwohner 70 Euro mehr zum Einkaufen.
Die IHK-Kaufkraftanalyse ist hier abrufbar.
(dls)