Wo steht die deutsche Wirtschaft zum Jahresende? Was sind die Herausforderungen für 2025 und warum gibt es gute Gründe zuversichtlich zu sein, dass Deutschland die Wende schafft? Das waren Leitfragen der Rede von Manfred Schnabel, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, auf dem IHK-Jahresschlussempfang im Mannheimer Rosengarten. Vor 600 Gästen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft führte Schnabel aus, dass Deutschland stagniere. „Jahrelang waren wir die Konjunktur-Lokomotive des Kontinents. Jetzt sind wir der Bremsklotz.“
Zu den Gründen zähle die große Unsicherheit, sowohl bei Verbrauchern als auch bei Unternehmen. Diese doppelte Nachfrageschwäche, im Konsum und bei den Investitionen, verstärke den Abschwung. Hinzu kämen Verschiebungen auf wichtigen Exportmärkten. „In der Vergangenheit haben wir davon profitiert, wenn China oder andere Schwellenländer gewachsen sind. Diesen klaren Zusammenhang gibt es nicht mehr“, führte der IHK-Präsident aus. Das läge daran, dass zahlreiche Länder, allen voran China, ihre technologischen Fähigkeiten systematisch ausgebaut haben. „Dadurch können sie immer mehr Produkte selbst herstellen. Und das zu geringeren Kosten als wir!“ Die Folge: Die Wachstumsimpulse aus China und dem Rest der Welt würden weniger. Eine Konsequenz dieser Entwicklung sei die deutliche Unterauslastung der Industrie, die mittlerweile im großen Stile Personal abbaue und teilweise sogar Werke schließe. „An den Geschäftsmodellen liegt es in den allermeisten Fällen nicht. Dass die prinzipiell funktionieren, nur nicht hier am Standort, zeigen Produktionsverlagerungen ins Ausland“, so Schnabel.
Das Problem sei die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland, also die Rahmenbedingungen für die Unternehmen. So sei Deutschland im Ranking des „International Institute for Management Development“ aus Lausanne in diesem Jahr um weitere zwei Plätze auf Rang 24 abgerutscht. Ein Schlüssel zur Wiedergewinnung von Wettbewerbsfähigkeit habe daher die EU in der Hand: Die Europäische Kommission überziehe die Unternehmen mit zu viel Regulatorik und in Folge zu viel Bürokratie. „Während die USA in der Präsidentschaft von Joe Biden ‚nur‘ 5.500 Rechtsakte erlassen hat, waren es in der vergangenen Wahlperiode des EU-Parlaments 13.000 Rechtsakte. Wer soll da noch den Überblick behalten?“, fragte Schnabel. Erfreulich sei, dass die EU dieses Problem mittlerweile erkannt habe und gegensteuere. Auch der Wechsel vom „Green Deal“ zum „Clean Industrial Deal“ sei positiv.
Weitere EU-Aufgabe sei der Abschluss weiterer Freihandelsabkommen mit wichtigen Drittstaaten und -regionen. Schnabel erinnerte daran, dass Deutschland als das exportstärkste Land der EU das allergrößte Interesse daran habe, dass die EU mit möglichst vielen Ländern Freihandelsabkommen schließe. Mit Blick auf China, aber auch die USA, sei notwendig: „Die EU braucht zuerst Einheit nach innen. Um anschließend geschlossen nach außen auftreten zu können. Ohne diese Geschlossenheit sind wir de facto nicht verhandlungsfähig.“
Größte Herausforderung auf nationaler Ebene sei der demografische Wandel. Auch die Unternehmen seien tagtäglich konfrontiert mit den Auswüchsen und Folgen des demografischen Wandels und eines dadurch in Teilen dysfunktional gewordenen Arbeitsmarktes. Entscheidend sei daher „ein (…) gutes Angebot im Kita- und Kindergartenbereich. Das setzt sich fort in Betreuungsangeboten in der Grundschule.“
Mit Blick auf die deutsche Schuldenbremse formulierte der IHK-Präsident Bedingungen, die erfüllt sein müssten, bevor überhaupt an ein Aufweichen der Schuldenbremse gedacht werden könnte:
Erst wenn diese Punkte erkannt und umgesetzt seien, könnte man über eine Reform der Schuldenbremse, wie vom Sachverständigenrat vorgeschlagen, nachdenken:
Der IHK-Präsident bezweifelte indes, dass die Politik die skizzierten notwendigen Voraussetzungen schaffen werde. „Wir haben wenig Zutrauen, dass die handelnden Politiker den Investitionsbegriff sauber definieren würden. Bis zum Beweis des Gegenteils bleiben wir deshalb bei einem Nein zur Änderung des Grundgesetzes.“
Handlungsbedarf gebe es neben der europäischen und nationalen auch auf Landes- und kommunaler Ebene. So erteilte der IHK-Präsident dem geplanten Landesmobilitätsgesetz eine Absage. Ebenso kritisch wertete er Überlegungen in einzelnen Kommunen, neue Abgaben oder Steuern einzuführen.
Schnabel lobte ausdrücklich den „Verein Zukunft Metropolregion Rhein Neckar“, der in seiner Arbeit die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts fokussiere. „Ein richtiger Schritt! Die Industrie- und Handelskammern in unserer Metropolregion gehen dazu in Vorlage: Wir haben eine Studie zur Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts in Auftrag gegeben.“
Diese politischen Herausforderungen seien gewaltig, aber machbar. „Worauf wir noch viel stolzer sein sollten, ist unser Mittelstand. Es gibt weltweit rund 4.000 sogenannte Hidden Champions. Davon befinden sich knapp die Hälfte in Deutschland. Diese sind unser USP, unser Alleinstellungsmerkmal, in der Welt,“ sagte der IHK-Präsident. Weitere Stärke: „Deutschland war und ist ein Land der klugen Köpfe“, sagte er mit Verweis auf gut ausgebildete Fachkräfte und den hohen Anteil von Studenten in ingenieurwissenschaftlichen Fächern.
Auch die Neuwahlen Mitte Februar böten Anlass für Zuversicht: „Im Vergleich zu einem neunmonatigen ‚Weiter so‘ der Ampel ist das eine konkrete, eine greifbare Perspektive. Durch die anstehenden Neuwahlen haben wir die Chance, wieder ins Handeln zu kommen.“ (rupp/wg)