Vor rund 100 Zuhörern im Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) Heidelberg entwarf Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington, ein differenziertes Bild der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahl. Dabei betonte er die Risiken, die sich durch die tief gespaltene amerikanische Gesellschaft und das Erstarken autoritärer Strömungen für die Demokratie ergeben könnten. Theveßens Einschätzung: „Amerika steht am Scheideweg“ – und das Ergebnis der Wahl könnte weitreichende Konsequenzen für die Welt haben.
Mit klaren Worten richtete Theveßen das Augenmerk auf die bevorstehende Wahl und deren potenziell erschütternde Auswirkungen. „Vergesst die Umfragen“, sagte er zu den Anwesenden und verwies auf die Fehlerquote und geringe Teilnehmerzahl der Umfragen. Stattdessen sei entscheidend, wie gut es den Kandidaten gelinge, ihre Basis zur Wahl zu mobilisieren. Für beide Parteien steht einiges auf dem Spiel, und für die Anhänger ist klar: Die Wahl entscheidet darüber, in welche Richtung sich Amerika entwickelt.
„Wirtschaft ist das Thema Nummer eins“, erläuterte Theveßen und führte die steigende Inflation und hohe Preise als Hauptanliegen der amerikanischen Bevölkerung an. Auch wenn die offiziellen Wirtschaftszahlen positiv seien, habe sich das subjektive Gefühl breitgemacht, dass das Leben teurer und schwieriger werde. Der Journalist ließ in seine Ausführungen Erfahrungen und Erlebnisse einfließen, die er während der Dreharbeiten zu seiner aktuellen TV-Reportage („Zwischen Trump und Harris – Roadtrip durch ein zerrissenes Amerika“ – Link siehe unten) gemacht hat. Neben der Wirtschaft treibe die Wähler zudem die Unsicherheit über die Sicherheit und Stabilität der Demokratie um. Theveßen berichtete von einer weit verbreiteten Angst vor Gewalt: „Sowohl auf der Seite von Trumps als auch Harris‘ Anhängern ist die Sorge groß, dass es nach der Wahl zu Übergriffen kommen könnte.“
Eine Studie zeigt, dass 65 Prozent der Amerikaner einen „starken Anführer“ fordern, der das Land lenkt – ein deutlicher Ausdruck der Polarisierung und der Enttäuschung über das politische System. Theveßen, der während seiner Reise durch 18 Bundesstaaten mit vielen Amerikanern sprach, fand eine wachsende Zustimmung zur autoritären Rhetorik Trumps, der verspricht, die USA gegen äußere und innere „Feinde“ zu verteidigen. „Der Wunsch nach einer starken Hand ist nicht nur auf der rechten Seite des politischen Spektrums zu finden“, betonte Theveßen.
Theveßen sparte nicht an warnenden Worten über die Konsequenzen einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump. „Die Pläne von Trump, staatliche Institutionen massiv zu reorganisieren und kritische Stimmen zu entfernen, könnten die amerikanische Demokratie nachhaltig schwächen“, erklärte er. Das sogenannte „Project 2025“, ein konservativer Masterplan, der die Demokraten zu zügeln verspricht, könnte die Machtverhältnisse im Land entscheidend verändern. Besonders besorgniserregend seien Theveßen zufolge Trumps Pläne, den Einfluss des Kongresses und die Freiheiten des Justizsystems zu beschneiden, um eine „loyale Verwaltung“ einzurichten.
Zum Abschluss seines Vortrags brachte Theveßen die Hoffnung auf ein eindeutiges Ergebnis zum Ausdruck: „Ein knappes Wahlergebnis könnte Amerika in eine neue Welle der Gewalt und Spaltung stürzen.“ Während das Publikum betroffen lauschte, stellte er die Frage in den Raum: „Was, wenn Amerika tatsächlich vor einem Bürgerkrieg steht?“ Ein Szenario, das Theveßen als erschreckend realistisch einschätzte. „Ein klares, entschiedenes Wahlergebnis – ob für Harris oder Trump – wäre derzeit wohl das Beste, was dem Land und der Welt passieren könnte.“
Elmar Theveßens Doku aus dem auslandsjournal ist in der ZDF-Mediathek zu sehen:
die doku: Zwischen Trump und Harris – Roadtrip durch ein zerrissenes Amerika