Heidelberger Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) will im Bemühen um eine klimafreundlichere Mobilität den Bund stärker in die Pflicht nehmen. Auf den Kosten der Sanierung des für die Verkehrswende so wichtigen öffentlichen Nahverkehrs dürften die Kommunen nicht sitzen bleiben. «Die Städte haben riesige Bestandsstrecken, die erhalten, saniert, modernisiert und barrierefrei umgebaut werden müssen – doch für die erforderlichen gewaltigen Ausgaben gibt es keine Förderung des Bundes mehr», monierte Würzner. Die Kommunen könnten das alleine nicht stemmen. Er plädiert auch für deutlich reduzierte Tarife.
Zwar würden neue Haltestellen noch mitfinanziert, sagte Würzner, der Erster Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Städtetags, Markus Lewe (Münster), ist, der Deutschen Presse-Agentur. Doch das gelte nicht für die in die Jahre gekommenen Fahrwege dorthin. Die neue Bundesregierung müsse ihren Förderschwerpunkt von der Beteiligung an neuen Strecken, für deren Kosten der Bund bis zu 70 Prozent beisteuere, auf die Ertüchtigung bestehender Straßenbahngleise verschieben. «Da muss es rasch ein Umdenken geben, denn einige Kommunen bauen mangels Mitteln für den Unterhalt Infrastruktur zurück.» Nach Auskunft des Landesverkehrsministeriums gibt es bereits solche Programme.
Nicht nur die Substanz des ÖPNV müsse verbessert werden, so Würzner, sondern auch das Preisgefüge. «Der Nahverkehr muss günstiger werden.» Eine Schülerjahreskarte für 550 Euro stelle für manche Eltern, zumal bei zwei oder mehr schulpflichtigen Kindern, eine hohe Belastung dar. In einem Stufenmodell will Würzner von Gratis-Tagen über Nulltarif für Kinder und Heranwachsende sowie Menschen über 60 Jahren zur kostenlosen Nutzung von Bussen und Bahnen für alle kommen.
«Ich halte das für finanzierbar», sagte Würzner. Die Partnerstadt Montpellier habe dies vorgemacht. In diesem Punkt sind sich der 60-jährige Geograf und die Grünen als stärkste Fraktion im Gemeinderat nicht einig. Die Fraktion will keine Förderung des ÖPNV mit der Gießkanne. «Das können wir uns nicht leisten», sagte deren Chef Derek Cofie-Nunoo. Zuerst müsse das Angebot im ÖPNV verbessert werden, um dann mehr Menschen den Umstieg vom Auto auf die ökologischeren Alternativen schmackhaft zu machen. Würzner hält dagegen: «Wer diese Idee immer noch als Monstranz vor sich her trägt, wird den öffentlichen Nahverkehr nie attraktiver machen.»
Derzeit läuft ein vom Herbst vergangenen Jahres auf dieses Frühjahr verschobenes Projekt mit Gratis-Fahrten an vier Samstagen (26.3. und 2., 9., 16. April). Schon am ersten Tag verzeichnete die Stadt zehn Prozent mehr Fahrgäste als üblich.
Mit einem städtischen «Modal Split», also der Aufteilung der Wege auf die unterschiedlichen Verkehrsmittel, von 80 Prozent aller zurückgelegten Strecken per Rad, Bahn, Tram oder zu Fuß und 20 Prozent mit dem Auto hat Heidelberg nach Worten Würzners eine extrem gute Ausgangsposition. Die Anteile umweltfreundlicher Fortbewegung würden mit dem Ausbau von ampelfreien Schnellradtrassen durch die gesamte Stadt noch verbessert. «Für die Menschen muss die Beförderung schnell und bequem sein.» Dafür müssten die Beförderungsmöglichkeiten intelligent miteinander verknüpft werden, etwa durch Park and Ride, Fahrradparkhäuser oder Car-Sharing-Angebote an Bahnhöfen. Würzner resümierte: «Dann wird die ganze Sache attraktiv.»