Sa, 23.12.2023 , 11:25 Uhr

Baden-Württemberg: Fußfessel bisher knapp 1270 Mal eingesetzt

Wenn Sexualstraftäter aus dem Gefängnis kommen, müssen sie in der Regel eine elektronische Fußfessel tragen. Doch Fußfesseln legt man auch inhaftierten Gefangenen etwa bei bewachten Ausflügen an.

Stuttgart (dpa/lsw) – Ende Oktober ist ein verurteilter Mörder bei einem bewachten Ausflug trotz einer elektronischen Fußfessel geflohen. Der Deutsch-Kasache knackte die Fußfessel mit Hilfe eines Werkzeugs, er wird weiterhin europaweit gesucht. Das war laut dem Justizministerium ein Einzelfall.

Die Fußfessel im Justizvollzug

Seit Beginn der Umsetzung des Projekts Fußfessel im Justizvollzug in Baden-Württemberg im August 2019 gab es nach Auskunft des Justizministeriums bis einschließlich Oktober 2023 insgesamt 1267 Einsätze mit einer solchen Fessel. Laut dem Justizministerium kam die Fußfessel im Vollzug im Jahr 2022 insgesamt 358 Mal zum Einsatz. Im Jahr 2023 kam es bisher zu 336 Einsätzen (Stand: 31. Oktober 2023). Im Justizvollzug wird die Fußfessel – amtsdeutsch heißt sie elektronische Aufenthaltsüberwachung – Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten bei Ausführungen angelegt. Nach dem Ende der Ausführung wird die elektronische Fußfessel wieder abgelegt.

Die Fußfessel nach Entlassung aus der Haft

Daneben ist in Baden-Württemberg im Rahmen der Führungsaufsicht derzeit bei 15 Personen eine elektronische Fußfessel angeordnet. Darunter sind 13 Personen, die wegen Sexual- und/oder Gewaltstraftaten verurteilt wurden. Zudem saßen drei Personen wegen Brandstiftungsdelikten in Haft. Das Strafgesetzbuch kennt die Führungsaufsicht nach der Haft und im Zusammenhang mit einer freiheitsentziehenden Maßregel wie der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Zu Straftaten, bei denen die Führungsaufsicht vorgesehen ist, zählen laut dem Justizministerium besonders Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, staatsgefährdende Gewalttaten, Bildung terroristischer Vereinigungen, Straftaten gegen die persönliche Freiheit, Diebstahls- und Raubdelikte, Hehlerei- und Geldwäschedelikte, (Computer-)Betrug, verschiedene Gemeingefährliche Straftaten wie etwa Brandstiftungen und Straftaten im Zusammenhang mit Drogen.

Die Polizeigewerkschaft sieht die Fußfessel kritisch

Nach Auskunft von Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), ist die Fußfessel kein Allheilmittel. «Fußfesseln, derer man sich einfach entledigen kann oder auf deren Wirkungsweise so eingewirkt werden kann, dass sie im Grunde genommen unwirksam sind, sind nutzlos. Es ist erforderlich, dass man den aktuellen Sachverhalt zum Anlass nimmt, um diese technische Überwachungsmöglichkeit zu überprüfen.» Seit langer Zeit schon sieht die DPolG die Fußfessel kritisch. «Das gilt sowohl für den begleiteten wie auch unbegleiteten Ausgang, wie auch sonstige Fälle. Zumal es mehr braucht als Fußfesseln für Straftäter mit schwerwiegenden Delikten. Immerhin kann ein Mensch auch eine Straftat mit Fußfessel in seinem erlaubten Umfeld begehen. Man muss sich verabschieden von dem Gedanken, dass man damit eine perfekte Sicherheit herstellen kann», sagte Kusterer. Das zeige die kürzliche Flucht. Niemand könne sich mehr auf eine Fußfessel verlassen. «Begleitungen sind lückenlos mit Personal zu überwachen. Ist das nicht möglich, muss auf den Ausgang verzichtet werden.»

Fußfessel im Vollzug wird überprüft

Justizministerin Marion Gentges (CDU) kündigte an, prüfen zu wollen, ob die Ausführungen von Häftlingen künftig anders ausgestaltet werden müssten. Es müsse geprüft werden, ob man künftig nur noch einen Ort pro Ausflug besuche. Bislang werden die Ausflüge zudem laut Justizministerium teils mit den Familien der Häftlinge vorher abgestimmt. Auch das müsse man in Frage stellen, sagte Gentges. Auch müsse die Fußfessel möglicherweise anders ausgestattet werden, sagte Gentges kürzlich in einer Landtagssitzung. Dazu gehörten möglicherweise andere technische Möglichkeiten, um zu noch mehr Sicherheit zu kommen.

Welche Gefangene tragen Fußfessel?

Geeignet sei die Fußfessel vor allem für Gefangene, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurden oder Untergebrachte, bei denen keine Eignung für weitergehende vollzugsöffnende Maßnahmen als Ausführungen bestehen. Des Weiteren kommt die Fußfessel laut dem Justizministerium vor allem bei Gefangenen in Betracht, die nicht an festgelegten Behandlungsmaßnahmen teilnehmen oder bei denen die Behandlung noch am Anfang steht. «Bei Ausführungen befinden sich die Gefangenen unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht durch Vollzugsbedienstete, die Fußfessel stellt hierbei ein lediglich zusätzliches Sicherungsmittel dar», sagte ein Ministeriumssprecher.

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