FREISBACH. Aus Protest gegen die Finanzpolitik in Rheinland-Pfalz haben Gemeinderat und Ortsbürgermeister in Freisbach im Kreis Germersheim ihren Rücktritt erklärt. Bei einer Sitzung in der Sport- und Kulturhalle der Kommune mit etwa 1200 Einwohnern übergaben alle 16 Ratsmitglieder dem ehrenamtlichen Ortsbürgermeister Peter Gauweiler am Dienstagabend den schriftlichen Verzicht auf ihr Mandat. Auch der parteilose Gauweiler selbst erklärte seinen Rücktritt. Ortsbürgermeister und Ratsmitglieder kritisieren, dass die Gemeinde aufgrund des neuen Landesfinanzausgleichsgesetzes und der Neuausrichtung der Kommunalaufsicht durch das Land Rheinland-Pfalz keine Haushaltsgenehmigung erhalte. „Wir treten zurück, weil wir den Auftrag der Wähler nicht mehr ausführen können“, sagte Gauweiler der Deutschen Presse Agentur. „Wenn wir nichts entscheiden dürfen und als Ehrenamtler nur rumsitzen, brauchen wir keinen Gemeinderat.“ Aber auch, wenn Freisbach die Abgaben für Bürgerinnen und Bürger deutlich erhöhe, bleibe der Haushalt im Minus. „Ich kann den Bürgern, die dann doppelt zahlen, nicht erklären, warum ich die Kosten erhöhe, wenn sie keinerlei Vorteil davon haben“, meinte der 66-Jährige. Er bedauere, dass die Kritik auf taube Ohren stoße. „Wie will ich Menschen zum Ehrenamt bewegen, wenn sie dort nichts bewirken können?“ Landrat Fritz Brechtel vom Kreis Germersheim sprach von einem „für Rheinland-Pfalz einmaligen Vorgehen“. Allerdings habe er „vollstes Verständnis für diesen drastischen Schritt“, sagte der CDU-Politiker. Die neuen Vorgaben der Landesregierung aus SPD, Grüne und FDP seien „zu dogmatisch und nicht zu Ende gedacht“. Nach Brechtels Einschätzung sind viele Kommunen in Rheinland-Pfalz in ähnlich finanziell desolater Lage. Freisbach sei „die Spitze des Eisbergs“. Gauweiler zufolge existiert für die zurückgetretenen Ratsmitglieder zwar eine Nachrückerliste mit 18 Namen. „Ich rechne aber nicht damit, dass jemand antritt. Dann finden in drei Monaten Neuwahlen statt.“ Er selbst bleibe kommissarisch im Amt, bis die Kreisverwaltung einen Beauftragten ernenne – allerdings längstens bis Ende August. „Dann lege ich nach 25 Jahren den Schlüssel auf den Tisch und bin weg.“ Drei Ratsmitglieder sind im Urlaub und übermittelten ihre Rücktritte durch Kollegen. Die anderen Mitglieder begründeten ihren Schritt am Dienstagabend in kurzen Statements, die von Zuschauern beklatscht wurden. Gauweiler sprach von einem „bitteren Applaus“. „Wir wollten nicht beklatscht werden, sondern auf Probleme aufmerksam machen.“ Er schätzte die Zahl der Besucherinnen und Besucher auf 250. Der CDU-Landesvorsitzende Christian Baldauf wandte sich in einer Mitteilung an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). „Frau Dreyer, in Ihrem Bundesland brennt sprichwörtlich die Hütte“, erklärte Baldauf. „Wann greifen Sie zum Feuerlöscher? Oder wollen Sie weiter tatenlos zusehen, wie Ihre SPD die Kommunen im Stich lässt?“ Erst in der vergangenen Woche hatte die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck ihren Austritt aus der SPD erklärt. Eine ihrer Kernbotschaften Richtung Mainz ist, dass sie sich in Finanz- und Bildungspolitik nicht genügend unterstützt fühlt. Die Landesregierung und die SPD betonten aber, man sei und bleibe ein verlässlicher Partner der zweitgrößten Stadt des Bundeslandes. (lrs/mj)