Auch eineinhalb Wochen nach seiner Flucht ist der verurteilte Mörder Aleksandr Perepelenko aus der JVA Bruchsal wie vom Erdboden verschwunden. Der Mann war bei einer sogenannten Ausführung an einen Baggersee im rund 25 Kilometer entfernten Germersheim verschwunden und wird weiterhin europaweit gesucht. Zu den Umständen der Flucht und möglichen Fehlern während des begleiteten Ausgangs äußerten sich die Behörden bislang nur spärlich. Auch bei einer Regierungsbefragung im Landtag hielt sich Justizministerin Marion Gentges sehr zurück – „aus ermittlungstaktischen Gründen“, wie sie bei mehreren Fragen aus den Reihen der Opposition am Mittwoch betonte. Bekannt sei unter anderem, dass der Mann seine elektronische Fußfessel nach seiner Flucht vom See mit Hilfe eines Werkzeugs geknackt habe, sagte Gentges. „Mit einem geeigneten Werkzeug kann jede Fesselung durchtrennt werden“, erklärte sie weiter. Gentges betonte allerdings auch, eine solche Fußfessel funktioniere nicht „für sich alleine“, sondern nur in Kombination durch die begleitenden JVA-Bediensteten. Es sei damit möglich, einen Fluchtweg leichter nachzuvollziehen. Der Vorfall am See werde auch disziplinarrechtlich untersucht. Die CDU-Ministerin äußerte sich nicht dazu, ob dem Mann geholfen wurde, die Fußfessel durchzutrennen, und wie er bei seiner Flucht an das Werkzeug gelangen konnte. Die zerstörte Fessel war im Stadtgebiet von Germersheim entdeckt worden. Elektronische Fußfesseln werden üblicherweise am Fußgelenk des Straftäters angebracht. Damit lässt sich sein Aufenthaltsort rund um die Uhr elektronisch überwachen. Der Sender ortet den Aufenthaltsort des Trägers und hält ständig Kontakt zur Überwachungsstelle der Länder in Hessen. Die Bewegungen der Träger sind dort auch auf einer Karte sichtbar. Der Deutsch-Kasache war als Gefangener der JVA Bruchsal am Montag vor einer Woche bei einem bewachten Ausflug an einen Baggersee im rheinland-pfälzischen Germersheim entkommen. Es war bereits seine achte Ausführung in Begleitung seiner Frau und seiner Kinder. Er war 2012 vom Landgericht Karlsruhe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er einen 44-Jährigen erwürgt hatte. Die FDP fordert nach dem Zwischenfall deutlich schärfere Vorgaben für Ausführungen aus Justizvollzugsanstalten. Nach einer solchen Flucht müsse das Vorgehen auf den Prüfstand kommen, sagte die innenpolitische Sprecherin der Liberalen, Julia Goll, der Deutschen Presse-Agentur. Es könne zum Beispiel untersucht werden, ob ein weiteres Begleitfahrzeug oder ein zusätzlicher JVA-Bediensteter das Risiko einer Flucht verringern könnten. Auch müsste geprüft werden, ob eine zweite Fußfessel hilfreich wäre. „Es dauert länger, zwei Fußfesseln loszuwerden als eine“, sagte Goll. Gentges verteidigte im Landtag zudem den begleiteten Ausgang des verurteilten Mörders an den See. „Vollzugsöffnende Maßnahmen“ müssten nach gesetzlicher Vorgabe gewährt werden. Ein Gefangener dürfe also „für eine bestimmte Zeit unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht von Vollzugsbediensteten“ eine JVA verlassen. Es gehe darum, dass auch langjährig inhaftierte Gefangene ihre „Lebenstüchtigkeit“ erhalten können, wie es auch das Bundesverfassungsgericht formuliert habe. Im Fall des Flüchtigen habe die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe entschieden, dass die von dem Mann beantragten drei Ausführungen im Jahr nicht unangemessen seien, sagte Gentges weiter. Konsequenzen hat die Flucht zunächst auch für andere Gefangene in der JVA Bruchsal: „Bis zum Abschluss unserer Überprüfungen sind Ausführungen aus dem geschlossenen Bereich (…) ausgesetzt“, erklärte Anstaltsleiter Thomas Weber am Mittwoch. Man werde diese begleiteten Ausflüge im Anschluss aber wieder aufnehmen. (lsw/mj)
Ein Foto von Aleksandr Perepelenko finden Sie hier.