Stuttgart. Der Waschbär breitet sich im Südwesten aus. Eine Schätzung des Bestands sei zwar nicht möglich, erklärte das Umweltministerium in Abstimmung mit dem Ministerium Ländlicher Raum. Die Waschbär-Jagdstrecke weise aber über die Jahre eine hohe Zunahme auf. Das Tier breite sich von Norden kommend in den Süden Baden-Württembergs aus – auch in den Kommunen, erklärte das Umweltministerium mit Verweis auf Monitoringdaten.
Das putzige Tier und sein Hunger bringen Probleme mit sich. «Der Waschbär besitzt ein ökologisches Schadenspotenzial aufgrund der Prädation von Eiern und Jungvögeln, Fledermäusen, Amphibien und Reptilien sowie Muscheln», teilte das Umweltministerium mit. Seit 2016 steht er demnach auf der Liste invasiver gebietsfremder Arten der Europäischen Union. Für lokale Populationen von Amphibien könne der Waschbär eine kritische Zusatzbelastung sein, denn sie stünden bereits durch Verluste des Lebensraums, den Klimawandel und Erkrankungen unter Druck. Auch der Landwirtschaft und Gebäuden kann der Waschbär demnach schaden.
Weil sich die Tiere vermehrt in Städten und Gemeinden aufhalten, beauftragen Kommunen im Land inzwischen auch Stadtjäger, die in besiedelten Gebieten jagen dürfen. Die Stadt Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) erklärte bereits 2022, einen Stadtjäger einzusetzen, um Waschbären oder Ähnliches zu fangen. Kürzlich teilte auch die Stadt Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) mit, dass sich künftig vier Stadtjäger um die Stadt und private Anfragen kümmern würden. Hintergrund sei, dass immer mehr Wildtiere in den Siedlungsbereich drängen. Das häufigste Problem seien in der Vergangenheit Waschbären gewesen.
«Kritisch für den Naturschutz ist der Waschbär, wenn durch andere Ursachen bereits bedrohte Arten vermehrt auf den Speiseplan geraten», sagte Alexandra Ickes, Artenschutzreferentin des Nabu-Landesverbandes Baden-Württemberg. Er könne örtlich ein Problem für den bodenbrütenden Kiebitz, Amphibien oder den Schwarzstorch sein. Die Jagd auf Waschbären, um ihre Populationsdichte zu reduzieren, ist laut der Referentin meist wenig erfolgreich – sie vermehren sich demnach schlicht und neue Tiere nehmen die frei gewordenen Lebensräume ein. Eine Bejagung aus Artenschutzgründen könne höchstens im Einzelfall lokal etwas bringen. Sinnvoll könnten demnach Elektrozäune für Kiebitz und Amphibien und Baummanschetten an Horstbäumen von Vögeln sein.
Teilweise wird gefordert, den Waschbären wieder von der Liste der invasiven Arten zu streichen. Dagegen spricht laut Ickes, dass er durch den Menschen nach Europa gebracht wurde, ursprünglich kommt er aus Nord- und Mittelamerika. «Als ausgezeichneter Kletterer und Schwimmer und aufgrund seiner hohen Anpassungsfähigkeit hat er das Potenzial, bereits gefährdete Arten weiter erheblich zu schädigen.» Dafür spreche, dass laut der Expertin Kastrationsprogramme erfolgversprechender sein könnten als eine Bejagung. Invasive Arten dürfen demnach aber grundsätzlich nicht ausgewildert werden – auch nicht, wenn die Tiere kastriert sind. Die Artenschutzreferentin meint: «Der Waschbär ist flächendeckend verbreitet, nun heißt es, Wege zu finden, mit ihm zu leben.» (dpa)