Di, 05.07.2022 , 10:58 Uhr

Baden-Württemberg: Viel zu wenige Fachkräfte für Ganztagsbetreuung in Schulen

Wenige Jahre vor der schrittweisen Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule steuert Baden-Württemberg auf einen massiven Fachkräftemangel hin. Zwischen dem prognostizierten Bedarf und dem voraussichtlichen Angebot an Fachkräften klafft zum Ende des Jahrzehnts eine Lücke von mehr als 12 000 Fachkräften, wenn für jedes Kind ein Platz mit einer Förderung von 40 Wochenstunden vorhanden sein soll. Das geht aus dem «Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule 2022» der Bertelsmann-Stiftung hervor, der an diesem Dienstag vorgestellt wird.

Der Rechtsanspruch stelle das Land vor erhebliche Herausforderungen, bilanzieren die Fachleute. «Baden-Württemberg muss gemeinsam mit allen Verantwortlichen sofort eine langfristige Fachkräfteoffensive auf den Weg bringen, damit zumindest im nächsten Jahrzehnt ein ausreichendes Personalangebot verfügbar ist», warnt Kathrin Bock-Famulla, Expertin für frühkindliche Bildung der Stiftung. Laut Prognose sollten nur fast 3000 Fachkräfte bis 2030 zusätzlich verfügbar sein.

In der Studie spielen die Expertinnen für Baden-Württemberg mehrere Szenarien durch. Laut Radar nutzen im Südwesten 45 Prozent der Kinder im Grundschulalter ein Ganztagsangebot, 16 Prozent ein sogenanntes Über-Mittags-Angebot, das bis etwa 14.30 Uhr zur Verfügung steht. In den ostdeutschen Bundesländern zum Beispiel liegt der Schnitt der Teilhabequote bei rund 86 Prozent. Würde dieser auch in Baden-Württemberg angestrebt, so fehlten laut Radar immer noch 9100 Fachkräfte. Und selbst wenn weiterhin ein Teil der Kinder die kürzere Über-Mittags-Betreuung in Anspruch nähme, läge der Personalmangel immer noch bei 6000.

In allen Szenarien sei bis 2030 in Baden-Württemberg eine erhebliche Fachkräftelücke zu erwarten, warnen die Expertinnen. Allerdings fehlen auch die Plätze: Soll bis 2030 für jedes Kind im Grundschulalter ein Platz zu haben sein, müssten fast 190 000 Plätze neu geschaffen werden. Und selbst bei einer ostdeutschen Quote wären es laut Studie immer noch mehr als 130 000. Die Informationslage über die Angebote der ganztägigen Förderung durch die Schulen sei aber sehr lückenhaft, schränken die Fachleute ein. Es fehlten Angaben über den zeitlichen Umfang und die Personalausstattung, kritisierten sie.

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung für Grundschulkinder ist seit 2021 im Ganztagsförderungsgesetz verankert. Er umfasst 40 Wochenstunden inklusive Unterricht und gilt für Kinder von der 1. bis zur 4. Schulklasse. Er soll gestaffelt eingeführt werden: Vom Schuljahr 2026/2027 an greift er bei Schülerinnen und Schülern der 1. Klasse, von 2029/2030 an bei allen Grundschulklassen.

Erst vor knapp einem Jahr hatte die Bertelsmann-Stiftung ihren Finger in eine andere Wunde gelegt und vor einem dramatischen Personalmangel in der Kinderbetreuung gewarnt. Bis zum Jahr 2030 müssten die bestehenden Ausbildungskapazitäten fast verdoppelt werden, um den Bedarf kindgerecht zu erfüllen und Kitas auch weiter mit dem heutigen Personalschlüssel auszustatten, hatte der «Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule» im August vergangenen Jahres vorgerechnet. Es werden demnach mehr als 33 000 weitere Erzieherinnen und Erzieher fehlen, andere Szenarien gehen sogar von mehr als 41 000 aus.

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