Stuttgart. Mit dem Ende der vorübergehend verschärften Kontrollen an den deutschen Grenzen im Norden erhält die Debatte über langfristige Checks an den Übergängen auch in Baden-Württemberg neuen Schwung. Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) verweist auf die gesunkene Zahl der Asylanträge in den vergangenen Monaten und die Polizeieinsätze an den Grenzen.
Nach Zahlen des Bundesinnenministeriums sind während der EM Tausende unerlaubte Einreisen unterbunden, zahlreiche Schleuser vorläufig festgenommen und Hunderte offene Haftbefehle vollstreckt worden. Aus Sicht von Gentges könnten auch die zurückgegangenen Asylzahlen mit den Kontrollen zu tun haben.
«Der Rückgang der Asylanträge, den wir momentan zu verzeichnen haben, kann für uns maximal eine Atempause bedeuten», sagte die auch für das Thema Migration zuständige Ministerin. «Wir können nicht vorhersagen, wie sich die Lage weiterentwickelt». Weltweit seien so viele Menschen auf der Flucht wie noch nie zuvor.
«Jetzt von einer Trendwende zu sprechen, wäre falsch, denn die Zugangszahlen an den EU-Außengrenzen sind weiterhin enorm hoch», ergänzte die CDU-Ministerin. «Was uns die Zahlen aber auch deutlich zeigen: die Binnengrenzkontrollen wirken.»
Einige Grenzkontrollen werden aufgehoben
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat vorübergehende Grenzkontrollen an der deutsch-französischen Grenze angeordnet, um vor und während der Olympischen Spiele in Paris zusammen mit den französischen Behörden für mehr Sicherheit zu sorgen. Die Spiele beginnen am 26. Juli und enden am 11. August.
Wegfallen werden ab Freitag hingegen die während der Fußball-EM eingeführten Kontrollen an den Grenzen zu Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Hier wird wieder auf Schleierfahndung mit gezielten Kontrollen umgestellt, wie es hieß. An den Landgrenzen zu Österreich, der Schweiz, Tschechien und Polen finden laut Innenministerin dagegen weiter Grenzkontrollen statt, um irreguläre Migration zu begrenzen und Schleusungskriminalität zu bekämpfen.
Befristet sind sie für die Schweiz, Tschechien und Polen bis zum 15. Dezember. Sie waren Mitte Oktober 2023 wiedereingeführt worden. An der Grenze zu Österreich gelten die Grenzkontrollen bereits seit Herbst 2015, sie sind dort bis zum 11. November angeordnet.
Zahl der Flüchtlinge zurückgegangen
Nach Angaben des Landesjustizministeriums ist die Zahl der Asylzugänge in den vergangenen sechs Monaten und im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich gesunken. Wurden im gesamten Jahr 2023 noch 36.319 Menschen registriert, so waren es in diesem Jahr bis Ende Juni 10.445. «Wir gehen davon aus, dass sich diese Kontrollen im Bereich Asyl in den unmittelbar reduzierten Zugangszahlen in Baden-Württemberg niedergeschlagen haben», teilte das Ministerium mit.
Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) verteidigt die Kontrollen als wichtigen Schritt. «Wir brauchen sie, bis wir eine nachhaltige Sicherung an den EU-Außengrenzen haben», sagte der Parteifreund von Gentges. «Die Kontrollen werden nicht alle Probleme lösen und sie sind kein Allheilmittel, aber sie sind ein Baustein.»
Polizei-Gewerkschaften nicht einer Meinung
Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fehlt für die Forderung der CDU-Minister Personal und Ausrüstung. Auf Dauer seien Grenzkontrollen nicht durchzuhalten. Die kleinere Polizeigewerkschaft DPolG widerspricht: «Man hat gesehen, wie erfolgreich die Kontrollen waren und welchen Bedarf es gibt», sagte DPolG-Landeschef Ralf Kusterer. Die Maßnahmen seien «personalintensiv, aber sicherheitspolitisch notwendig».
Das gelte nicht nur für unerlaubte Einreisen und Schleuser, sondern auch für die grenzüberschreitende Kriminalität insgesamt. Es sei blauäugig zu glauben, die Binnengrenzen spielten bei der unerlaubten Einreise eine untergeordnete Rolle. «Wer in der Schweiz ankommt und ausreisepflichtig ist, wird entweder den Rhein nach rechts oder nach links überqueren», sagte Kusterer.
Anlassbezogene vorübergehende Grenzkontrollen an den Schengen-Binnengrenzen setzen allerdings nach Angaben des Bundesinnenministeriums eine ernste Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit voraus. Auch sei das Instrument nur zeitlich begrenzt und als Ultima Ratio (letztes Mittel) anzuwenden. (dpa/lsw)