Wendlingen/Neckar. Die Debatte über nahezu alltägliche Stromengpässe, die den Einsatz von Reservekraftwerken oder den Zukauf von Strom etwa aus dem Ausland nötig machen (Redispatch), trägt Früchte. Beim Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW haben laut Unternehmenschef Werner Götz erste Unternehmen und Kommunen angeboten, bei der «StromGedacht»-App mitzuwirken. Dabei geht es zum Beispiel darum, Wärmepumpen für ein paar Stunden zu drosseln oder zu bestimmten Zeiten keine Pumpen in Wasserwerken zu betreiben, um den Strommarkt zu stabilisieren.
«Wir haben jetzt einige Pilotversuche mit ein paar Unternehmen», sagte Götz der Deutschen Presse-Agentur in Wendlingen am Neckar (Landkreis Esslingen). Dafür sei die App erweitert worden und könne ein Signal zum Stromsparen verschicken, das etwa für Wärmepumpen und Ladestationen lesbar sei.
Wenn das technisch ausgefeilt und erprobt ist, besteht Götz zufolge das Potenzial, Stromeinkäufe im Ausland einzusparen. Wünschenswert wäre es, wenn das eingesparte Geld denjenigen zugutekommt, die sich beteiligen. «Damit könnte ein wirtschaftlicher Anreiz entstehen.» Ein weiterer Vorteil sei, dass TransnetBW besser kalkulieren könnte – weil zum Beispiel Wärmepumpen-Hersteller wissen, wie viele Geräte es in einer Region gibt und wie viel Strom gespart werden kann.
Große Resonanz für App
Zunächst war die im Winter eingeführte App für Verbraucherinnen und Verbraucher konzipiert, die per Nachricht auf dem Smartphone informiert werden können, wenn in einer bestimmten Zeit ein erhöhter Redispatch-Bedarf besteht. In diesem Zeitraum sollte man – wenn möglich – zum Beispiel weder Waschmaschinen laufen lassen noch Akkus aufladen.
«Wir haben eine Riesenresonanz erfahren», sagte Götz mit Verweis auf bislang rund 200 000 Downloads. Jedoch sei die Teilnahme beim Sparen freiwillig. TransnetBW kann nicht nachvollziehen, wer Geräte vom Netz lässt. «Ich kann also jetzt nicht sagen, wir haben damit X Euro gespart», erklärte Götz. Dennoch hätten die Aufrufe zum Stromsparen über die App und die Berichte darüber die Diskussion beflügelt. Und über Unternehmen sei der Hebel beim Sparen viel größer.
Worum es beim Redispatch geht
Ein Redispatch ist ein Eingriff in die Stromerzeugung, um Engpässe zu vermeiden. «Droht an einer bestimmten Stelle im Netz ein Engpass, werden Kraftwerke diesseits des Engpasses angewiesen, ihre Einspeisung zu drosseln, während Anlagen jenseits des Engpasses ihre Einspeiseleistung erhöhen müssen», erklärt die Bundesnetzagentur. So werde ein Lastfluss erzeugt, der dem Engpass entgegenwirke. Reichen vorhandene Anlagen nicht aus, werden Reservekraftwerke hochgefahren, oder Strom wird aus anderen Bundesländern und dem Ausland importiert.
Da im Zuge der Energiewende die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, die Infrastruktur für den Stromtransport aber noch nachziehen muss, kann es in den kommenden Jahren vermehrt solche Engpässe geben. Windkrafträder beispielsweise werden im Norden gebaut, weil dort mehr Wind weht. Gebraucht wird viel Strom aber im industriereichen Süden. Verschärfend kommt hinzu, dass Wind nicht immer gleichmäßig stark weht, Sonne nicht immer verlässlich scheint. Solche Schwankungen führen im Grunde tagtäglich zu neuen Situationen auf dem Strommarkt.
Energiewendekonformes Verhalten lernen?
Götz zeigte sich optimistisch, dass Stromverbraucher ihr Verhalten anpassen. «Seit ich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach habe, schaue ich, wann ich Strom produziere – und bin geneigt dazu zu sagen, in dem Zeitfenster schalte ich die Spülmaschine oder die Waschmaschine an», gab er ein Beispiel. «Ich würde aber trotzdem sagen, das ist ein Zwischenschritt. Am Ende bin ich der festen Überzeugung, dass wir intelligente Maschinen haben werden, die automatisiert diese Signale kriegen und ich mir darüber nicht mehr den Kopf machen muss.»
Früher sei es einfacher gewesen, als konventionelle Kraftwerke nach Bedarf hätten eingesetzt werden können. Mit mehr erneuerbarer Energie, die vom Wetter abhängig ist, verändere sich die Situation: «Die Kraftwerke produzieren dann, wenn die Sonne scheint und der Wind weht», sagte Götz. «Und eigentlich muss ich meinen Verbrauch so strukturieren, dass er in den Zeiten maximal ist. Wenn mir das nicht gelingt, würde ich die Ernte, die möglich ist, nicht nutzen.»
Nötig sei dafür ein Ausbau der Netze. Das Ziel von TransnetBW sei, dass von den Arbeiten niemand etwas bemerke. Während es auf der Autobahn Stau wegen Baustellen oder Spurverengungen gebe, müssten solche Situationen im Stromnetz vermieden werden. «Wir können unseren Kunden nicht sagen: Von Februar bis Oktober bauen wir, und ab November ist der Strom wieder verfügbar», erklärte Götz. «Das geht nicht. Stau darf es nicht geben. Es darf keine Reduktion und keine Gefährdung geben.» Das sei eine Herausforderung. (dpa)