Stuttgart. Wegen des Vormarsches von Künstlicher Intelligenz will Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) an den Schulen in Baden-Württemberg vermehrt auf andere Prüfungsformen setzen. «Wir werden voraussichtlich deutlich mehr zu mündlichen Prüfungen übergehen, weil man nur so herausfinden kann, ob etwas wirklich verstanden worden ist», sagte Schopper der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Künstliche Intelligenz werde sich an den Schulen deutlich auswirken. «Unsere Schulwelt wird sich durch Künstliche Intelligenz verändern. Es ist absurd zu glauben, das macht an der Schultür Halt», sagte Schopper.
Auswendiglernen ist aus Sicht der Ministerin dagegen überholt. Sie selbst habe im Geschichtsunterricht noch Jahreszahlen wichtiger Ereignisse auswendig lernen müssen. «Heute macht schlichtes Auswendiglernen von Fakten kaum noch Sinn. Es ist wichtiger, dass man die grundlegenden Zusammenhänge versteht, dass man sich Kompetenzen erarbeiten kann und nicht, dass man sich ein bulimisches Wissen reinzieht», sagte Schopper. Unter «Bulimielernen» wird kurzfristiges Auswendiglernen etwa für eine Prüfung verstanden, wobei das Gelernte wenig später wieder vergessen wird.
Auch sonst müsse überprüft werden, ob in den Schulen noch der richtige Schwerpunkt gelegt werde. «Wir müssen schauen: Welche Kompetenzen brauchen die Schüler? Ich glaube, dass wir auf die Medienkompetenz deutlich mehr Gewicht legen müssen», sagte Schopper. Das werde vor allem mit Blick auf Künstliche Intelligenz immer wichtiger. «Kinder und Jugendliche müssen in der Schule lernen, wie man Fake News erkennen kann, wie man Medien sinnvoll nutzen kann und wo die Grenzen liegen. Da haben wir in der Schule eine große Aufgabe.»
Schülerinnen und Schüler fordern seit Jahren, in den Schulen auch mehr Alltagswissen beigebracht zu bekommen. Erst Anfang des Jahres hatte der Landesschülerbeirat gefordert, dass Lehrer stärker unterrichten sollten, wie Steuererklärungen ausgefüllt, Versicherungen abgeschlossen und Mietverträge verhandelt werden. «Die Schule soll uns mit lebenswichtigen Kompetenzen ausstatten, aber wir lernen nur wenig über Dinge wie Steuerrecht und Investitionen, die für uns später wichtig sein könnten», sagte der Vorsitzende des Landesschülerbeirats, Berat Gürbüz, damals der Deutschen Presse-Agentur.
Dafür hat Schopper Verständnis. «Schüler äußern vielfach den Wunsch nach praxisnäherem Lernen. Sie wollen erkennen können, wenn sie abgezockt werden oder wo die Fallen bei einem Handyvertrag liegen. Das kann ich gut nachvollziehen», sagte sie. Man müsse immer wieder schauen, wie man Unterricht konkreter und näher an der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler gestalten könne.
Erst kürzlich hatte auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine Bildungsdebatte ausgelöst. Aus Sicht des Grünen-Politikers könne Technik und Künstliche Intelligenz bald das mühsame Erlernen einer zweiten Fremdsprache wie Französisch ersetzen. Junge Leute müssten zwar gut Englisch können, sagte Kretschmann Anfang Juli. Mit Blick auf zweite Fremdsprachen wie Französisch sagte er aber, man müsse mehr Vertrauen in die Technik haben. «In zehn Jahren wird sich jeder einen Knopf ins Ohr setzen – und der übersetzt das simultan, was da gesprochen wird. Das wird so kommen.»
Auch Schopper glaubt, dass vor allem gute Englisch-Kenntnisse künftig wichtig sein werden. «Natürlich hat der Ministerpräsident Recht, wenn er sagt: In der Zukunft ist es notwendig, dass man Englisch als Verkehrssprache beherrscht.» Das sei schon heute selbstverständlich: «Wenn man heute gut Englisch kann, ist das kein Grund für Anerkennung mehr, sondern das ist die Voraussetzung für viele Jobs», sagte Schopper. Für einfache Übersetzungen gebe es in der Tat schon heute andere technische Hilfsmittel. Das werde auch die Schulen verändern. (dpa)