Zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen wollen die evangelischen Landeskirchen in Baden, Württemberg, Bayern und der Pfalz kommendes Jahr eine Aufarbeitungskommission einsetzen. Dies werde voraussichtlich im Sommer und in Abstimmung mit dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs geschehen, sagte der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh am Montag in Karlsruhe. Solche Kommissionen seien auch im Westen, Norden und Osten geplant. Die Fallzahlen in den Landeskirchen sprächen für Zusammenschlüsse.
Die Kommission solle Missbrauchsfälle aufbereiten, in Streitfällen als entscheidende Instanz dienen, aber auch präventiv arbeiten, erläuterte Cornelius-Bundschuh. Sie werde unabhängig sein und von einer Person geführt werden, die Richter oder Richterin ist oder zumindest für ein solches Amt befähigt und nichts unmittelbar mit der Kirche zu tun habe. Sowohl Betroffene als auch Vertreter aus Kirche, Politik und Wissenschaft sollen Mitglieder des Gremiums werden.
«Uns muss es gelingen, vor Ort anzukommen», sagte der Landesbischof. Oft hätten viele in einer Gemeinde gewusst, dass der Pfarrer gerne mit jemandem «schäkert». «Aber es wird nicht angesprochen.» Beispiele zeigten, wie wichtig auch Betroffenen die Aufarbeitung vor Ort sei – selbst wenn manche die Kirche als «Täterorganisation» ansähen, mit der sie nichts mehr zu tun haben wollten, sagte Cornelius-Bundschuh.
Die evangelische Kirche ist erst nach der katholischen Kirche von dem Thema Missbrauch eingeholt worden. Hunderte Fälle sind mittlerweile ans Licht gekommen. Seit 2018 versucht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), das Vorgehen in den 20 Landeskirchen anzugleichen. Eine wissenschaftliche Erforschung ist auf den Weg gebracht.
Unter anderem sollten sämtliche Personalakten aller Landeskirchen gesichtet werden, sagte Cornelius-Bundschuh, der jetzt nach drei Jahren aus dem Beauftragtenrat der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt ausgeschieden ist. Ergebnisse der Studien würden erst 2023/24 erwartet. Diese sollten dann in den Landeskirchen vertieft werden.
Probleme gab es vor allem bei der Frage, wie Betroffene einbezogen werden. Hier habe die EKD nicht klar kommuniziert, räumte der Bischof ein. Die vor einem Monat gewählte EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus hatte angekündigt, das Thema zur Chefinnensache zu machen. (dpa/asc)