In Baden-Württemberg setzen nur wenige Familien ihren gesetzlichen Anspruch auf einen Kitaplatz vor Gericht durch. An den zuständigen Verwaltungsgerichten in Stuttgart, Karlsruhe und Sigmaringen sind aktuell nur wenige Verfahren anhängig, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Am Verwaltungsgericht in Freiburg gebe es aktuell gar kein derartiges Verfahren, teilte eine Sprecherin mit. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim musste sich einem Sprecher zufolge in diesem Jahr bisher nur mit einem Kita-Verfahren beschäftigen.
Am Verwaltungsgericht in Stuttgart wird um 12 Kitaplätze gestritten. Die Zahlen seien in den vergangenen Jahren nicht gestiegen, sagte ein Sprecher. Erst am Donnerstag hatte das Gericht dem Landkreis Böblingen ein Zwangsgeld in Höhe von 5000 Euro angedroht, wenn er einem Dreijährigen binnen zwei Wochen keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stelle.
Die Richter in Karlsruhe haben laut Gericht drei laufende Verfahren. Seit 2020 seien es insgesamt 15, davon neun in diesem Jahr. Beim Verwaltungsgericht in Sigmaringen waren dagegen nur zwei Eil- und ein Klageverfahren anhängig. Auch im vergangenen Jahr sei die Anzahl der Kita-Klagen ebenfalls deutlich im einstelligen Bereich gewesen.
Seit 2013 haben Kinder mit Vollendung des ersten Lebensjahres in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Doch Kommunen im Südwesten und anderen Bundesländern können etwa wegen Fachkräftemangel nicht genug Betreuungsplätze zur Verfügung stellen. Nach einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung fehlen im kommenden Jahr 57 600 Kitaplätze in Baden-Württemberg.
Die Kitaplatz-Suche beschäftigt auch die Fachanwältin für Sozialrecht, Melanie Füllborn, in Bietigheim-Bissingen. «In meiner Kanzlei habe ich mehr als 40 laufende Fälle», sagte die 52-Jährige. Die meisten ließen sich außergerichtlich lösen, weil Kommunen kein Interesse an Verfahren hätten.
Viele Eltern wüssten auch nicht, dass es sich bei einer Kitaplatz-Absage um einen Bescheid handle gegen den man Widerspruch einlegen könne. Städte und Kommunen würden die Absagen als reine Auskunft oder Mitteilung darstellen. «Eltern, die nicht anwaltlich vertreten sind, wissen nicht, welche Möglichkeiten sie haben», so Füllborn. Zudem seien nur wenige Kollegen auf die Problematik spezialisiert.