Stuttgart. Nach einer neuen Erhebungsmethode werden nun deutlich mehr bewaffnete «Reichsbürger» und «Selbstverwalter» in Baden-Württemberg erfasst als noch vor einem Jahr. Laut der neuen Statistik waren zum Stichtag am 31. Dezember 2023 insgesamt 208 der Extremisten im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis, wie das Innenministerium auf Anfrage mitteilte. Zuvor hatte die «Heilbronner Stimme» (Dienstag) darüber berichtet.
Vor der neuen Datenerhebung waren zum Stichtag 1. Februar vergangenen Jahres 37 sogenannte Reichsbürger und andere Extremisten mit Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis registriert worden. Wegen der überarbeiteten Erhebungsmethode kann man laut Innenministerium die neuen mit den alten Zahlen nicht mehr vergleichen.
Den Angaben nach werden nun erstmals auch waffenrechtlich relevante Menschen mitgezählt, zu denen nicht offen gerichtsverwertbare Erkenntnisse des Verfassungsschutzes vorliegen. Die neue Datenerhebung ermögliche dabei einen breiteren und noch genaueren Blick, erklärte Innenminister Thomas Strobl (CDU). «Wir wollen dadurch ganz bewusst mehr potenziell gefährliche Personen in den Fokus rücken, um jede noch so kleine Gefahr von Extremisten möglichst noch im Keim zu ersticken.»
«Reichsbürger» erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an. Sie sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Die gesamte Bewegung gilt als sicherheitsgefährdend und wird seit Herbst 2016 vom Verfassungsschutz beobachtet. Rund 3800 Menschen zählte die Landesregierung zuletzt zu der Szene im Südwesten. Bundesweit sind es mehr als 23 000.
110 der 208 nun erfassten Menschen verfügen den Zahlen nach ausschließlich über den Kleinen Waffenschein, der zum Führen erlaubnisfreier Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen berechtigt. 95 «Reichsbürger», «Selbstverwalter» und andere Extremisten verfügen zumindest über eine Waffenbesitzkarte und damit auch über erlaubnispflichtige Schusswaffen. Bei drei weiteren handelt es sich den Angaben nach um sogenanntes Bewachungspersonal, welches eine Waffenführungsberechtigung besitzt.
Bei 23 dieser 208 sogenannten Erlaubnisinhaber sei ein Widerrufsverfahren bereits eingeleitet worden, bei weiteren 40 sei ein solches Verfahren in der Prüfung. Nach Einschätzung der Waffenbehörden reichen bei 76 die Erkenntnisse derzeit noch nicht aus, um eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu begründen. Bei 66 «Erlaubnisinhabern» liegen noch keine offenen und damit gerichtsverwertbaren Erkenntnisse vor. Drei Fälle seien noch in Prüfung.
Seit 2017 haben laut Innenministerium Waffenbehörden in Baden-Württemberg extremistischen Waffenbesitzern 576 Waffen entzogen. «Ein großer Erfolg, aber gleichzeitig auch eine Daueraufgabe», erklärte Strobl. «Die neue Erhebung zeigt, wie wichtig es ist, dass wir hier keinen Millimeter nachlassen. Wir setzen weiterhin alles daran, dass Extremisten nicht an Waffen gelangen und konsequent entwaffnet werden.» (dpa)