Mit der steigenden Zahl an Flüchtlingen und den zunehmenden Problemen bei ihrer Unterbringung kippt die Stimmung in Baden-Württemberg. Die Menschen im Südwesten gehen mit der Flüchtlingspolitik der Landesregierung hart ins Gericht, wie aus einer Umfrage im Auftrag aller Tageszeitungen in Baden-Württemberg hervorgeht. Die überaus meisten Menschen beunruhigt die Lage teils deutlich. Und ähnlich wie zuletzt bei einem Bürgerentscheid in Greifswald würden sich auch im Südwesten viele Menschen gegen eine Flüchtlingsunterkunft in ihrer Stadt oder Gemeinde entscheiden.
Laut Umfrage ist derzeit jeder Dritte sehr besorgt über die Entwicklung, weiteren 45 Prozent bereitet die Situation etwas Sorgen und nur 18 Prozent zeigen sich derzeit unbeeindruckt. Auch die Stimmung unter Freunden und Bekannten verändert sich. Demnach berichtete mehr als jeder zweite Befragte (53 Prozent), darunter vor allem ältere Menschen, dass die Sorgen über die Flüchtlingssituation in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zunehmen.
Die angespannte Stimmungslage spiegelt sich nicht nur in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) wider, wo nach einem Bürgerentscheid keine städtischen Flächen an den Landkreis verpachtet werden dürfen, um Containerunterkünfte für Geflüchtete aufzustellen.
Immer stärker zeigen sich die Menschen auch im Südwesten überzeugt davon, dass die Kapazitäten für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgeschöpft und die Kommunen überfordert oder auch nicht in der Lage sind, die Probleme in den Griff zu bekommen. Laut Umfrage sind 40 Prozent der Ansicht, Baden-Württemberg könne keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Skeptisch sind die Menschen vor allem auf dem Land. 48 Prozent meinen zudem, bei ihnen am Ort könne niemand mehr Platz finden. Zum Vergleich: Im November vergangenen Jahres waren nur 27 Prozent dieser Meinung.
Mit der Sorge über die steigenden Zahlen wächst auch die Skepsis in Bezug auf die Politik: Laut Studie meinen 42 Prozent der befragten Menschen, ihre Stadt oder Gemeinde komme mit der hohen Zahl an Flüchtlingen nicht gut zurecht. 39 Prozent sind anderer Meinung. Und immerhin knapp jeder Dritte würde sich zur Wehr setzen, wenn in der näheren Umgebung eine größere Flüchtlingsunterkunft geplant wäre. Weitere 41 Prozent würden den Bau einer solchen Unterkunft hingegen auch bei sich vor Ort akzeptieren.
Dabei haben die weitaus meisten Menschen in Baden-Württemberg noch keine wirklichen Nachteile wegen der Flüchtlingssituation gehabt: Etwa jeder Vierte (26 Prozent) will aus diesem Grund Einschränkungen erfahren haben, die große Mehrheit (63 Prozent) verneint dies. Dennoch fühlt sich jeder dritte Baden-Württemberger am eigenen Wohnort wegen der Flüchtlinge nicht mehr so sicher wie früher. Jeder Zweite hingegen verspürt keine Veränderungen.
Verantwortlich machen die Menschen vor allem die Landespolitik, von der sie unter anderem ein konsequenteres Vorgehen fordern: 66 Prozent der Befragten erwarten, dass straffällig gewordene Ausländer konsequenter abgeschoben werden, aus Sicht von 41 Prozent der Menschen setzte sich Innenminister Thomas Strobl (CDU) nicht ausreichend dafür ein. Insgesamt bewerten nur 24 Prozent der Bevölkerung die Flüchtlingspolitik des Landes als positiv, 54 Prozent hingegen kritisch.
Allerdings kann sich aus Sicht der Menschen auch keine Partei wirklich hervortun: Laut Studie ist der größte Teil der Bevölkerung entweder der Ansicht, dass keine Partei überzeugende Konzepte hat, oder er ist unsicher, ob gute Konzepte überhaupt zur Debatte stehen.
Eine Zahl bereitet dem Institut für Demoskopie allerdings besonders große Sorgen: Denn laut Umfrage haben 39 Prozent der Menschen häufiger den Eindruck, dass die Landesregierung das Wohl der Flüchtlinge über das Wohl der Menschen insgesamt stellt. «Dies ist für die Akzeptanz der Flüchtlingspolitik ein fataler Eindruck, der auch einen Nährboden für größere Unzufriedenheit und Unmut bilden könnte, als dies derzeit der Fall ist», heißt es warnend in der Studie.
Für die aktuelle Version des «BaWü-Check» hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Juni 1002 Erwachsene in Baden-Württemberg befragt.