Do, 07.09.2023 , 09:14 Uhr

Baden-Württemberg: Kretschmann kritisiert Rente mit 63 - „Können uns das nicht leisten“

Mit 63 gingen nicht nur Dachdecker in Rente, sondern auch viele gesunde und dringend benötigte Fachkräfte, kritisiert Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Das könne so nicht weitergehen.

Stuttgart. Die Menschen werden immer älter und zugleich schlägt der Fachkräftemangel immer heftiger zu: Für Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist das ein Grund, über die Zukunft der Rente zu diskutieren. «Wir müssen mit dem Rentenalter zielorientiert umgehen. Wer schwer körperlich gearbeitet hat, den muss man anders behandeln als jemanden, der noch körperlich und geistig fit ist», sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Immer mehr Menschen leisteten Wissensarbeit und keine harten körperlichen Arbeiten. «Darauf müssen wir unser Rentensystem besser anpassen.»

Ein Problem sei die vorgezogene Rente mit 63, findet Kretschmann. Damit könne man nicht mehr umgehen wie bisher. «Wir können es uns nicht leisten, dass hauptsächlich eigentlich gesunde und gut verdienende Menschen mit 63 in Rente gehen», sagte Kretschmann. Für diese Menschen sei die Rente mit 63 nicht gedacht.

Kretschmann verwies auf den wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums. Der gebe an, dass ein Großteil derer, die frühzeitig in Rente gingen, gut ausgebildet seien, überdurchschnittlich verdienten und gesund seien. «Es ist also eine irrige Annahme, die da rumgeistert, dass es hauptsächlich Dachdecker oder andere körperlich oder psychisch schwer arbeitende Menschen wären, die dieses Angebot nutzen», sagte Kretschmann. Das Angebot sei aber ursprünglich für Menschen gedacht gewesen, die nicht länger arbeiten könnten. «Ein Großteil derer, die das nutzen, müsste es aus gesundheitlichen Gründen nicht machen», kritisierte Kretschmann.

Hinzu komme, dass die Menschen immer älter würden und auch immer länger gesund seien. «Das muss sich im Rentensystem auswirken, denn sonst muss der Bundeshaushalt ja immer mehr für die Rente aufbringen – und das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit», sagte Kretschmann.

Mit «Rente mit 63» ist die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren gemeint, weil zunächst Menschen mit Geburtsjahr vor 1953 so bereits mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen konnten. Im vergangenen Jahr lag die Altersgrenze laut Rentenversicherung bei 64 Jahren. Ab Geburtsjahrgang 1964 gibt es die abschlagsfreie Rente dann frühestens mit 65 Jahren.

Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hatte vor ein paar Monaten die Rente mit 63 bereits als schweren Fehler bezeichnet. Diese sei nicht nur generationenungerecht und schlecht angesichts des Fachkräftemangels, sondern auch ein verheerendes Signal, das korrigiert werden müsse. «Anstatt, dass die Politik alle paar Jahre neue Debatten um die Rente führt, sollten wir uns endlich ernsthafte Gedanken darüber machen, wie wir bei steigender Lebenserwartung eine faire Balance zwischen Arbeitszeit und Ruhestand finden.» Bayaz nannte etwa als mögliches Modell, dass jedes zusätzliche gewonnene Jahr Lebenserwartung aufgeteilt werde in vier Monate zusätzliche Arbeit und acht Monate zusätzlichen Ruhestand.

Auch ein regulärer Renteneintritt mit 67 Jahren ist aus Sicht von Bayaz nicht dauerhaft zu halten. «Meine Generation muss sich auf längeres Arbeiten im Alter einstellen – auch wenn wir unseren Wohlstand halten wollen», sagte der Grünen-Politiker. «Ich halte das für viele Berufe auch zumutbar, da sich die Arbeitswelt in den kommenden Jahren fundamental verändern wird, körperlich anstrengende Arbeit wird weniger, Wissensarbeit wird mehr.» (dpa)

baden-württemberg Politik

Das könnte Dich auch interessieren

12.12.2024 Baden-Württemberg: Freiwillige sollen profitieren - Land will Ehrenamtskarte 2025 flächendeckend einführen Wer sich bei etwa bei der Feuerwehr engagiert, kann in einigen Regionen im Südwesten Vergünstigungen bei Eintritten bekommen. Bald sollen noch mehr Freiwillige profitieren. Stuttgart. Nach einer Probezeit in mehreren Modellregionen soll die Ehrenamtskarte für freiwillig Engagierte in ganz Baden-Württemberg kommen. Für die landesweite Einführung der Karte stünden im Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 10.12.2024 Baden-Württemberg: Justizministerin Gentges: Nach Assad-Sturz fällt bei vielen syrischen Asylbewerbern Fluchtgrund weg Können Syrien-Flüchtlinge nach dem Umsturz im Land jetzt bedenkenlos zurück in die Heimat? Gemach, sagen die Grünen. Aber die Justizministerin hat auch Hoffnungen. Stuttgart. Mit dem Umsturz in Syrien und dem möglichen Ende des Bürgerkriegs entfällt aus Sicht von Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) für viele syrische Asylbewerber im Südwesten der Grund für ihre Flucht. «Es 09.12.2024 Baden-Württemberg: Schnellere Asylverfahren und mehr Personal im Südwesten Zu wenig Personal und zu lang dauernde Verfahren im Asylbereich: Um dafür Abhilfe zu schaffen, wurde in diesem Jahr einiges getan in Baden-Württemberg. Stuttgart. Immer wieder gibt es im Zusammenhang mit Asylverfahren Klagen, dass die Verfahren zu lange dauern. Das hat sich laut Justizministerin Marion Gentges (CDU) geändert. Die durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten bei den asylgerichtlichen Verfahren 09.12.2024 Baden-Württemberg: Menschen feiern Sturz Assads – 1000 Personen versammeln sich in Mannheim Nach 13 Jahren Bürgerkrieg in Syrien feiern Menschen dort und anderswo den Sturz des jahrzehntelangen Machthabers Assad. Stuttgart. Anlässlich des Machtwechsels in Syrien sind an verschiedenen Orten in Baden-Württemberg Menschen zu Feiern und Kundgebungen zusammengekommen. In mehreren Städten seien Demonstrationen und Kundgebungen angemeldet worden, gab die Polizei bekannt. In Stuttgart versammelten sich nach ersten Zählungen